Die Glaubwürdigkeit der Politiker­innen und ­Politiker leidet – nicht nur in den USA. Auf­passen muss man vor allem vor Abstim­mungen. Dann verstehen sich die Politiker in erster Linie als Verkäufer ihrer Parteiparolen. Der Zweck ­heiligt die Mittel. Es werden wider bes­seres ­Wissen Unwahrheiten erzählt, Misstände beschönigt oder der Teufel an die Wand gemalt. Auch Bundesräte spielen auf dieser Klaviatur. Bundesrat Alain Berset droht gegenwärtig den Jungen mit dem Verlust der AHV, wenn sie ­seiner Vorlage nicht zustimmen. Bundesrätin Leuthard verschwieg vor der Abstimmung über die Initiative Pro Service public, dass 600 Post­stellen gestrichen werden.

In der schnelllebigen Zeit sind die Worte von gestern schnell vergessen. Das zeigen Beispiele von links bis rechts. Die Politiker Martin Candi­nas (CVP), Corrado Pardini (SP), Edith Graf-­Litscher (SP) und Olivier Feller (FDP) etwa ­gehörten vor einem Jahr zu den vehementesten Gegnern der Service-public-Initiative. Heute tönt es so: «Es kann nicht sein, dass man innerhalb von drei Jahren einen Drittel aller heutigen Post­stellen schliesst» (Martin Candinas). «Die Post ist nicht einfach ein privates Unternehmen. Wir müssen uns überlegen, ob wir nicht einmal das Volk befragen müssen» (Corrado Pardini). «Die Post muss andere einbeziehen. Ein Gemeindepräsident darf nicht nur kurz darüber informiert werden, was mit der Poststelle geschieht» (Edith Graf-Litscher). «Man kann einer Lebensmittel­lädelifrau nicht die gleichen Sachen anvertrauen wie einer Postbeamtin» (Olivier Feller).

Gegenwärtig überbieten sich Politikerinnen und Politiker mit «Fakten» und «Gewissheiten» zur Entwicklung von AHV und Pensionskassen in den nächsten 20 Jahren. Die Erfahrung lehrt: Es lohnt sich, Parteiparolen kritisch zu hinterfragen und die Interessen der Politiker zu bedenken. Bei Abstimmungen über Versicherungen etwa sollten sich die Beitragszahler fragen: Ist ein neues Gesetz im Interesse derer, die Geld ­gespart haben? Oder eher im Interesser der­jenigen, die mit dem Gesparten anderer Leute Geld ­verdienen?