Einmal mehr schliessen die SBB einen bedienten Bahnhof. Jüngstes Opfer: der Bahnhof Killwangen-Spreitenbach AG. Er werde per 1. Juli in eine «Station mit Selbstbedienung» umgewandelt, teilten die Bundesbahnen Mitte April schönfärberisch mit. Konkret heisst das: ein weiterer schalterloser Geisterbahnhof, wo Billette nur noch am Automaten gelöst werden können.
Die SBB begründen die Schliessung mit der angeblich «abnehmenden Nachfrage nach bedientem Verkauf». Mit dem Verweis auf dieses Argument wurden in den letzten Monaten zahlreiche weitere Schalter geschlossen – etwa in Kilch-berg ZH, Flüelen UR und Netstal GL.
Die Begründung der SBB ist ein Hohn. Denn die Bahn macht selber viel, um die Passagiere vom Schalter fernzuhalten. So fangen SBB-Angestellte an Bahnhöfen Kunden vor den Schaltern ab, um sie an die Automaten zu verweisen (K-Tipp 10/2016).
«Schalterpersonal sägt am eigenen Ast»
Damit nicht genug: Laut der Zeitung der Verkehrspersonal-Gewerkschaft muss das Schalterpersonal auf Weisung der Vorgesetzten dieses Jahr 80 000 Kunden dazu bringen, sich im Internetshop der SBB anzumelden. Die Passagiere sollen ihr Billett statt am Schalter also im Internet kaufen – entweder über die Website oder die SBB-App fürs Handy.
Peter Käppler von der Gewerkschaft befürchtet weitere Schalterschliessungen: «Die Angestellten sägen am eigenen Ast, wenn sie die Leute von den Schaltern wegtreiben müssen und diese dann geschlossen werden.
Pikant: Die Verkaufsstellen müssen eine bestimmte Registrierungsquote erfüllen. Das Erreichen dieses Ziels sollte an einigen Verkaufsstellen gar in die Personalbeurteilung einfliessen. Diesen Plan haben die SBB mittlerweile fallengelassen – nach massivem Protest der Gewerkschaft.
SBB sammeln noch mehr Kundendaten
Die SBB sagen dazu auf Anfrage des K-Tipp: «Wir entwickeln alle unsere Verkaufskanäle weiter, damit sie noch einfacher bedienbar werden. Deshalb erklären wir unseren Kunden auch, wie die Automaten und die App funktionieren.»
Mehr Kunden im Internet bringt den SBB Vorteile: Sie sparen nicht nur Schalterräume und Personal ein. Sie sammeln so auch persönliche Daten, die sie gewinnbringend Werbefirmen verkaufen können. In einem Video auf Sbb.ch bewirbt die Bahn ihre App als «perfekten Werbeträger». Die Kosten der Werbung hängen davon ab, wie viele Leute ein Inserat ansehen. Pro 1000 Benutzer kostet es 40 Franken.
Dazu kommt: Bei den SBB kann man im Internet kein Billett kaufen, ohne dass man sich einloggt. Und das bedeutet: Kunden müssen persönliche Daten wie Namen, Vornamen, Geburtsdatum, Klasse, Start und Ziel der Reise sowie das Reisedatum angeben.
Noch dieses Jahr wollen die SBB gemäss Recherchen der Zeitung «Schweiz am Wochenende» zudem den Standort von Kunden abfangen, die ihr Billett mit dem Handy lösen. Auch diese Kundendaten werden an Werbefirmen verkauft. Pro 1000 App-Benutzer müssen die Werber 10 Franken zahlen. So steht es auf der SBB-Website.
Handy: Werbung lässt sich ausblenden
Dieses Vorgehen ist umso stossender, als der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte die SBB vor einem Jahr wegen ungerechtfertigter Datensammlerei beim Swisspass gerügt hatte. Damals speicherten die SBB alle Daten aus der Billettkontrolle 90 Tage in einer Datenbank. Unnötig und unverhältnismässig, befand der Datenschützer.
SBB-Sprecher Daniele Pallecchi sagt dazu: «Das Gesetz wird durch die SBB eingehalten.» Die Daten würden nur anonymisiert an die Werbung weitergegeben. Doch warum müssen beim Kauf eines Billetts via App Name, Vorname und Geburtsdatum angegeben werden? Pallecchi: «Solche Tickets sind nicht auf fälschungssicherem Papier ausgedruckt und können kopiert werden.»
Tipp: Die Werbung auf dem Handy kann man ausblenden. So gehts: In der SBB-App oben links auf die drei horizontalen Striche tippen. Dann zu «Meine Einstellungen» ! «Weitere Einstellungen». Das Häkchen bei «Werbung Dritter anzeigen» entfernen. Ob so auch keine persönlichen Daten mehr übermittelt werden, sagt die SBB nicht.
Übrigens: Nur die neueste SBB-App sammelt Daten. Benutzer eines älteren Handys mit der früheren App können von den SBB nicht überwacht werden. Das hat der K-Tipp nachgeprüft.