Weit über 200 000 Men­schen fahren täg- lich in die Stadt Zürich zur Arbeit. Und 60 Prozent der Pendlerinnen und Pendler benutzen dazu den öffentlichen Verkehr. Für die SBB und den Zürcher Verkehrsverbund ist deshalb seit Jahren klar: Erweiterungen von Angebot und Infrastruktur auf dem Zürcher S-Bahn-Netz sind unerlässlich – und zwar unter Einbezug nationaler Bahngrossprojek­te wie der Durchmesserlinie.

Sie führt von Zürich- Altstetten via den unter­irdischen Bahnhof Löwenstrasse und den Weinbergtunnel nach Zürich-Oer­likon. Der Durchgangsbahnhof Löwenstrasse und der knapp 5 Kilometer lange Weinbergtunnel sind seit dem 15. Juni in Betrieb.

Auf die Eröffnung dürften viele S-Bahn-Pendler richtiggehend hingefiebert haben. Immerhin versprachen die SBB, dass die Durchmesserlinie ab 2014 «mehr und bessere Verbindungen in und um Zürich» bringe. Doch die Freude währte nicht überall lange. So beschwerte sich ein Leser schon im Juni beim K-Tipp, dass sich die Fahrt vieler 

S-Bahnen nach Zürich nicht verkürze, sondern teilweise sogar verlängere.

Tatsächlich? Der K-Tipp wollte das genauer wissen. Er verglich daher auf dem Internet-Fahrplan der SBB die Reisezeit vor und nach Inbetriebnahme der neuen Bahnlinie – und das für total 175 S-Bahn-Verbindungen von 35 Gemeinden im Kanton Zürich zu fünf Bahnhöfen in der Stadt.

Nur bei 46 von 175 ­Verbindungen kürzer

Verglichen wurden die jeweils schnellsten Verbindungen – unabhängig davon, ob es sich dabei um Direkt- oder um Um­steigefahrten handelte. 

Abgeklärt wurde ausserdem, wie sich die Anzahl der S-Bahn-Verbindungen verändert hat, die aus den 
35 Gemeinden werktags in der Morgenspitze zwischen 7 und 8 Uhr am Zürcher Hauptbahnhof eintreffen.

Die Resultate:

  • Mehr solche Verbindungen gibts seit dem Fahrplanwechsel vom 15. Juni nur aus 8 Gemeinden. Aus 22 Gemeinden kommen gleich viele und aus 5 weniger S-Bahnen zwischen 7 und 8 Uhr morgens im Hauptbahnhof an.
  • Die Reisedauer der schnellsten S-Bahn-Verbindung hat sich in 88 der 175 untersuchten Fälle nicht verändert. In 46 Fällen wurde sie kürzer, in 41  Fällen länger. Das heisst: Auf fast drei Vierteln der in der Stichprobe berücksichtigten Strecken haben sich die kürzesten Reise­zeiten nicht verbessert.

Bei den SBB heisst es dazu, vor allem das linke Zürichseeufer profitiere von schnelleren Verbindungen, weil sich die Fahrzeiten der S2 und der S8 mit In­betriebnahme der Durchmesserlinie verkürzt hätten. Das trifft natürlich vorab für Reisende zu, die via Durchgangsbahnhof bis Oerlikon oder noch weiter fahren. Wer hingegen bloss ins Stadtzentrum pendelt, ist häufig gleich lang unterwegs wie früher. 

Die Bundesbahnen räumen durchaus ein: «Es gibt, wie bei jedem Fahrplanwechsel, auch Ver­lierer.» In der Stichprobe war das nicht selten wegen längerer Umsteigezeiten der Fall. Das Umsteigen im Zürcher Hauptbahnhof sei aber dank kürzerer Fusswege bequemer geworden, so SBB-Sprecher Reto Schärli.

Auf den Fahrplanwechsel vom Dezember 2015 soll die Durchmesserlinie fertiggestellt und vollständig in Betrieb genommen werden. Das betrifft dann vorab den Fernverkehr und nicht mehr das S-Bahn-Netz.