Am 24. September müssen die Bürger an der Urne zwei Fragen beantworten:
  • «Wollen Sie den Bundesbeschluss vom 17. März 2017 über die Zusatz­finanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer annehmen?» 
  • «Wollen Sie das  Bundesgesetz vom 17. März 2017 über die Reform der Altersvorsorge 2020 annehmen?»

Bei einem Ja zu beiden Vorlagen wird die Bevölkerung kräftig zur Kasse gebeten. Das zeigen Berechnungen des K-Tipp. Als Basis ­wurde ein jährlicher Bruttolohn von 77 124 Franken angenommen. Das entspricht laut Bundesamt für Statistik dem sogenannten Medianlohn. Sprich: Die eine Hälfte der Erwerbstätigen in der Schweiz verdient mehr, die andere weniger.

Höhere Abgaben für Sozialversicherungen
 
Heutige Angestellte zahlen künftig mehr für die AHV, die Pensions­kasse und die Mehrwertsteuer. Beim genannten Lohnbeispiel hätte das für sie folgende Auswirkungen:
  • Ihre Lohnabzüge für die AHV steigen um 0,15 Prozent. Das macht 116 Franken pro Jahr. Bei 45 Jahren Erwerbstätigkeit ergibt das Mehrkosten von 5220 Franken. Die Lohnabzüge für die Pensionskasse steigen bei 45 Jahren Erwerbstätigkeit um rund 13 000 Franken. Total wachsen die Beiträge an die Sozialversicherungen bis zur Pensionierung also um 18 220 Franken.
  • Frauen mit dem erwähnten Lohn zahlen total gar rund 26 500 Franken mehr in die Sozialversicherungen ein. Denn sie arbeiten ein Jahr länger. Das erhöht ihre Beiträge für die AHV um 3354 Franken und für die Pensionskasse um rund 5000 Franken.
  • Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,6 Prozentpunkte führt zu Mehrausgaben von mindestens 100 Franken pro Jahr. Hochgerechnet auf 45 Jahre Erwerbsleben, sind das mindestens 4500 Franken.
Pensionskassenrente sinkt um 12 Prozent
 
Künftige Pensionierte erhalten mehr AHV und meistens weniger von der ­Pensionskasse.
  • Dank des AHV-Zuschlags von monatlich 70 Franken (bzw. maximal 226 Franken für Ehepaare) bekommen Ledige pro Jahr 840 Franken mehr AHV, Verheiratete maximal 1356 Franken mehr. Das ergibt für Ledige bei einer Lebenserwartung von 21 Jahren ab der Pensionierung einen AHV-Renten-Zuwachs um total 17 640 Franken.
  • Weil für Frauen das Rentenalter auf 65 Jahre steigt, verlieren sie ein volles Jahr AHV- und eine Pensionskassenrente – total macht das beim erwähnten Lohn über 40 000 Franken.
  • Die Senkung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule reduziert die Pensionskassenrente um 12 Prozent. Beim Lohnbeispiel und 21 Jahren Lebenserwartung ab Pensionierung ist das ein Minus von rund 13 000 Franken. Diese Reduktion wird durch die höheren Lohnabzüge nicht voll ausgeglichen.
Der Teufel steckt im Detail
 
Das rund 60 Seiten lange Gesetzespaket enthält eine Fülle von Änderungen, die in den Medien kaum thematisiert werden – für die Versicherten aber spürbare Konsequenzen haben. Einige Beispiele:
  • Wenn der AHV-Fonds nur noch zu 80 Prozent gefüllt ist, muss der Bundesrat neu dem Parlament «Stabilisierungsmassnahmen» unterbreiten. Damit sind weitere Beitrags-, Rentenalter- und/oder Mehrwertsteuererhöhungen bereits aufgegleist.
  • IV-Rentner erhalten den 70-Franken-Zuschuss nicht. Damit wird erstmals eine Ungleichheit zwischen den AHV- und den IV-Renten eingeführt. 
  • Neu darf eine Pensionskassenrente frühestens ab Alter 60 bezogen werden – nicht mehr wie bisher ab 58. Anderseits können Pensionskassen neu das normale Pensionierungsalter bis auf 70 erhöhen. 
Die Auswirkungen der Reform – je nach Geschlecht, Alter und Einkommen
  • Frauen: Sie zahlen ein Jahr länger AHV- und Pensionskassenbeiträge. Und sie erhalten ein Jahr später Rente 
  • allein bei der AHV entgehen ihnen so durchschnittlich rund 24 000 Franken. Um diesen Verlust mit dem neuen AHV-Zuschlag von 840 Franken pro Jahr zu kompensieren, müssten sie fast 94 Jahre alt werden.
  • Heutige Rentner: Ihre Renten bleiben unverändert. Aber auch sie müssen 0,6 Prozent mehr Mehrwertsteuer ­zahlen, ­fahren unter dem Strich also schlechter.
  • Unter 45-Jährige: Versicherte mit Jahrgang 1974 und jünger zahlen während ihres Arbeitslebens deutlich mehr für AHV und Pensionskasse (siehe Oben), erhalten aber nach der Pen­sionierung insgesamt oft weniger Rente.
  • Über 45-Jährige: Für die Jahrgänge 1973 und älter gibts in der Pensionskasse eine Besitzstandsgarantie. Das heisst: Liegt ihre Pensionskassenrente wegen der Rentenreform ­tiefer als nach bis­herigem Recht, übernimmt der Sicherheitsfonds der beruflichen Vorsorge die Differenz. Zudem erhalten auch sie den AHV-Zuschuss von 70 Franken pro Monat.
  • Wenigverdiener: Eine höhere AHV- Rente nach der Pensionierung bringt ­ihnen nur dann mehr Einkommen, wenn sie keine Ergän­zungs­leistungen (EL) beziehen. Sonst wird die höhere Rente durch tiefere EL aufgehoben. Weil AHV- und Pensionskassenrente im Gegensatz zu den EL nicht steuerfrei sind, zahlen Betrof­fene höhere Einkommenssteuern. Auch die höhere Mehrwertsteuer bekommen sie zu spüren. 
Darum gehts am 24. September
 
Sagen die Stimmbürger gleichzeitig Ja zur Erhöhung der Mehrwertsteuer zugunsten der AHV und Ja zum Bundesgesetz über die ­Reform der Altersvorsorge 2020, kommt es zu gravierenden Ände­rungen:
  • Das Rentenalter für Frauen steigt schrittweise bis 2021 von 64 auf 65 Jahre.
  • Männer ab Jahrgang 1953 und Frauen ab Jahrgang 1954 erhalten nach der Pensionie­rung pro Monat 70 Franken mehr AHV, Ehepaare 140 bis 226 Franken mehr.
  • Um diesen Zuschlag zu finanzieren, steigt der Lohnabzug für die AHV von 8,4 auf 8,7 Prozent.
  • Die Mehrwertsteuer steigt um 0,6 Prozent – ebenfalls für die AHV. 
  • Der gesetzliche Mindestumwandlungssatz für die Pensionskassenrenten sinkt ab 2019 in vier Schritten  von 6,8 auf 6 Prozent. Die Renten sinken so um 12 Prozent.
  • Die Pensionskassenbeiträge steigen. Grund: Der versicherte Lohn wird höher, und die Altersgutschriften für die 35- bis 54- Jährigen werden um 1 Prozentpunkt angehoben.
 
Pensionskassen: Es geht auch anders
Viele Pensionskassen, deren Versicherte neben dem obligatorischen auch überobligatorisches Alterskapital ansparen, haben ihren Umwandlungssatz bereits auf unter 6 Prozent gesenkt. Denn der gesetzliche Mindestumwandlungssatz gilt nur fürs obligatorisch versicherte Alterskapital. Doch zeigen diverse Pensionskassen, dass es auch ohne Rentenkürzungen geht: Die Sammelstiftung Profond zum Beispiel berechnet die Renten auch aus dem Überobligatorium mit einem Umwandlungssatz von 6,9 Prozent, die Pensionskassen CoOpera, Copré, Phoenix und Spida mit 6,8 Prozent.
 
Abstimmung 2010: Leere Drohungen
Im März 2010 sagten  73 Prozent der Stimmenden Nein zu einer Rentensenkung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen behauptete ­damals, ohne eine Senkung des Umwandlungssatzes entstehe «in der 2. Säule eine Finanzierungslücke von jährlich 600 Millionen». Auch Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer sagte: «Schon heute besteht eine Finanzierungslücke von 600 Millionen jährlich.»
Tatsache ist: Nach der Ablehnung ging es den Pensionskassen keineswegs schlechter. Seither sind die Reserven sogar auf 116,4 Milliarden gewachsen. 
 
Behauptung: «Der AHV-Fonds hätte (bei Ablehnung der Reform) im Jahr 2035 Schulden von über 40 Milliarden.» Lorenz Hess, BDP-Na­tionalrat, 23.6.2017 im Schweizer Fernsehen
Fakt ist: Niemand kann heute die Bilanz der AHV im Jahr 2035 kennen. Sie ist abhängig von der Bevölkerungs- und der Lohnentwicklung, der Produktivität, den Kapitalzinsen, der Lebenserwartung usw. in den nächsten 18 Jahren. 
Wer auf so viele Jahre hinaus rechnet, hat es mit vielen Unbekannten zu tun. 
 
Behauptung: «Die Alternativen zu einem Scheitern sind: das Rentenalter 67 und kompensa­tionslose Einbussen in der 2. Säule.» Michael Sorg, SP-Medien­sprecher, «Tages-­Anzeiger», 9.8.2017 
Fakt ist: Wird die Reform nicht angenommen, bleibt alles beim ­Alten. Sowohl das Pensions­alter wie auch der Rentenumwandlungssatz der Pensionskassen sind im Gesetz festgehalten. Will das Parlament daran etwas ändern, haben die Stimmberechtigten das letzte Wort. 
 
Behauptung: «Wenn Ihr Nein stimmt, könnt Ihr nicht sicher sein, dass Ihr noch eine AHV-Rente bekommt.» Bundesrat Alain Berset an die Adresse der heute unter 45-Jährigen, «Tages-Anzeiger» 7.8.2017
Fakt ist:  Die nicht pensionierte Bevölkerung zahlt jedes Jahr AHV-Beiträge. Die AHV-Einnahmen betragen laut Bundesamt für Statistik zurzeit pro Jahr gut 42 Milliarden. Davon werden die Renten bezahlt. Es kann also nicht passieren, dass kein Geld für die AHV-Renten der heute Jungen da ist. In den letzten Jahrzehnten überstiegen die AHV-Einnahmen die Ausgaben bei weitem. Deshalb verfügt die AHV heute über riesige Reserven von rund 45 Milliarden Franken. Letztes Jahr erwirtschaftete sie damit einen Ertrag von 1,2 Milliarden. In den nächsten Jahren steigt zwar die Zahl der Rentner. Das sind die Jahrgänge, die den Überschuss einzahlten. Doch ab 2030 wird eine neue Generation von Babyboomern erwerbstätig sein und die AHV-Einnahmen er­höhen.