Pestizide in den schmackhaften Produkten
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saldo 7/2002
10.04.2002
Getrocknete, in Öl eingelegte Tomaten sind beliebt. saldo liess zehn Produkte im Labor untersuchen und von einer Fachjury degustieren. Fazit: Nicht alles, was gut schmeckt, ist auch gesund.
Schnell ein paar Gläser öffnen, den Inhalt in Schälchen anrichten, etwas Brot aufschneiden - und die Gäste können kommen. Mit Antipasti ziehen sich spontane Gastgeber elegant aus der Affäre. Eingelegte Tomaten, Artischocken, Auberginen, Oliven: Die Auswahl ist gross und befriedigt auch d...
Getrocknete, in Öl eingelegte Tomaten sind beliebt. saldo liess zehn Produkte im Labor untersuchen und von einer Fachjury degustieren. Fazit: Nicht alles, was gut schmeckt, ist auch gesund.
Schnell ein paar Gläser öffnen, den Inhalt in Schälchen anrichten, etwas Brot aufschneiden - und die Gäste können kommen. Mit Antipasti ziehen sich spontane Gastgeber elegant aus der Affäre. Eingelegte Tomaten, Artischocken, Auberginen, Oliven: Die Auswahl ist gross und befriedigt auch die verwöhntesten Gaumen.
Dass sich der Gastgeber seinen Ruf als Gourmet auf so bequeme Art sichert, hat allerdings seinen Preis. Allein 100 Gramm eingelegte Tomaten kosten 3 bis 4 Franken. Waren die Produkte italienischer Koch- und Einmachkunst früher ausschliesslich in Comestibles und italienischen Quartierläden erhältlich, füllen sie heute ganze Regalreihen in den Supermärkten.
Der Grossverteiler Coop hat sein Antipasti-Angebot auf über 100 Produkte ausgedehnt. «Seit 1996 stieg der Umsatz jedes Jahr um mehr als 10 Prozent», sagt Pressesprecher Jörg Birnstiel. 2001 setzte der Detaillist allein mit Antipasti-Produkten zwischen 70 und 80 Millionen Franken um. «Die jüngeren Konsumenten haben diese Art von Fertigprodukten als Erste entdeckt», so Birnstiel. Sie sind lecker und stehen für Lebensfreude und Genuss.
Am besten verkaufen sich Oliven und getrocknete Tomaten. Die roten schrumpeligen Pomodori, die nach Sonne und Süden schmecken, haben sich bei Coop, Migros, Epa und Waro einen Stammplatz im Sortiment erobert.
Fachjury degustierte zehn Produkte in einem Blindtest
saldo testete zehn der gängigsten Pomodori Secchi auf ihren Geschmack und liess sie in einem renommierten Schweizer Labor auf Pestizidrückstände untersuchen. Die Resultate lassen sich mit zwei Volksweisheiten zusammenfassen: «Was gut schmeckt, ist nicht unbedingt gesund», und «Das Teuerste ist nicht das Beste».
Für eine geschmackliche Bewertung bat saldo fünf Testesser zu einer Degustation in die Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich. Ruth Johnson, Kochbuchautorin, Manfred Stevens, Koch, Bruno Keller, Koch, Thomas Spycher, Kochlehrer und Hildegard Drack, Berufsschullehrerin für Hauswirtschaft verkosteten im Blindtest zehn Produkte. Sie bewerteten das Aussehen, die Konsistenz und den Geschmack der eingelegten Tomaten.
Über die Favoriten herrschte Einmütigkeit. Vier von fünf Testern bevorzugten Tomaten, die nicht sehr stark getrocknet, also noch schön fleischig waren und ein appetitliches Rot aufwiesen. Am besten benotet wurde das Bell-Produkt. «Erfrischend und aromatisch», lautete das Urteil. Am zweitbesten schnitten die Tomaten von Dinon ab, deren angenehme Säure und festes Fleisch gefielen.
Der Nachteil beider Produkte: Da die Tomaten nur leicht getrocknet sind, müssen sie im Kühlschrank aufbewahrt und innerhalb weniger Wochen gegessen werden. Was schwerer wiegt, sind die Ergebnisse der Laboruntersuchung. Beide Produkte wiesen Rückstände von Pestiziden auf. Im Fall von Dinon war dies Fenson, im Fall von Bell fand sich DDE, ein Abbauprodukt von DDT. Die Konzentration beider Pestizide bewegt sich innerhalb der gesetzlichen Grenzwerte für Gemüse. «Eine unmittelbare Gesundheitsgefährdung geht nicht von ihnen aus», sagt der Berner Kantonschemiker Urs Müller. Allerdings dürfe man von einer Wertverminderung dieser Lebensmittel sprechen. «Sie sind verunreinigt und entsprechen nicht den berechtigten Konsumentenerwartungen.»
Coop wird die Dinon-Tomaten ersetzen
Coop beruft sich auf Toleranzwerte, die in der Fremd- und Inhaltsstoffverordnung festgelegt sind: Diese würden beim Bell-Produkt nicht überschritten. Pressesprecher Jörg Birnstiel kündigt an, dass die Dinon-Tomaten, in denen sich Spuren von Fenson fanden, ersetzt werden. Fenson ist in der EU und der Schweiz nicht zugelassen.
In den acht anderen getesteten Pomodori Secchi konnte das Labor keine Pestizidrückstände nachweisen. Fünf von ihnen - Sacla, Antico Casale, Buon Gusto und die beiden Globus-Produkte - erreichten in der geschmacklichen Bewertung immerhin ein «genügend». Sie sind mindestens ein Jahr haltbar. Die Tomaten wurden entsprechend stark getrocknet, was sich auf ihre Farbe und Konsistenz auswirkt. Das satte Tomatenrot weicht während des Konservierungsprozesses einem Braunrot, und die Früchte werden kompakter. Manfred Stevens fand in dieser Gruppe einen Testsieger nach seinem Geschmack: Antico Casale. Der Küchenchef des Restaurants Belvoirpark lobt den «fruchtigen, kräuterbetonten Geschmack» und die «angenehme Säure».
Auf positive Resonanz stiessen auch die Tomaten in Knoblauchöl von Globus. «Sie wecken Sehnsucht nach Sonne und Süden», bemerkte Ruth Johnson. Negativ fiel den Testern aber der hohe Ölanteil auf. Das 200-Gramm-Glas für Fr. 7.80 enthält nur 110 Gramm Tomaten.
Produkte mit Olivenöl sind teurer, aber nicht besser
Womit Kenner und Liebhaber der italienischen Küche nicht rechnen: In der Regel sind die Tomaten in Sonnenblumenöl eingelegt. Das hochwertigere und teurere Olivenöl wird seltener verwendet. «Eine Schande», kommentiert Koch und Caterer Bruno Keller. «Aber kein Betrug - die Inhaltsstoffe sind deklariert.» Erfreulich: Alle vier Produkte, die angeben, reines Olivenöl zu verwenden, enthalten auch nichts anderes als Olivenöl. Dies belegt eine Fettsäureanalyse des Labors.
Drei Produkte mit Olivenöl lassen sich ihre Pomodori (Goldäpfel) allerdings im wahrsten Sinne des Wortes vergolden. Mit Fr. 7.40 beziehungsweise 6 Franken pro 100 Gramm sind Roi und Gran Cucina Pomodori aus der Jelmoli Gourmet Factory mit Abstand am teuersten. Ihren viel versprechenden Namen werden sie jedoch nicht gerecht. Optisch wie auch geschmacklich fallen sie gegenüber der Konkurrenz ab. «Matschig» und «fad» notierten die Degustatoren bei Roi.
Ebenfalls eine Enttäuschung war das Bio-Produkt La Selva. Hier finden sich verschieden grosse Tomaten unterschiedlicher Farbe und Konsistenz lieblos in ein Glas gestopft.
Auch das Migros-Produkt war fürs Auge, das ja bekanntlich mitisst, alles andere als eine Wohltat. Neben Kapern, Paprikaschoten und zusammengewürfelten, verschieden grossen Tomaten stösst der Gourmet hier mit der Gabel auch schon mal auf ein Fruchtstielchen. Das nimmt man bei einem Preis von Fr. 1.38 pro 100 Gramm vielleicht in Kauf. Aber für einen gediegenen Apéro ist das Produkt ungeeignet.
Besser als die Industrieware ist Selbstgemachtes
Für Hildegard Drack gibt es eigentlich nur eine Alternative: selber machen. Weil die Berufsschullehrerin die Massenware der Lebensmittelindustrie besonders kritisch bewertete, gibt sie ihr Lieblingsrezept preis: Getrocknete Tomaten zwei Minuten in Rotwein kochen (keinen Wein verwenden, den man nicht auch trinken würde). Die Tomaten mit Haushaltspapier trocken tupfen, wenig Salz beigeben, mit Olivenöl übergiessen. Fertig.
Sigrid Cariola
Pestizide - Fenson und DDE in Tomaten
Im Labor wurden in zwei Produkten Spuren von Fenson und DDE nachgewiesen.
- Fenson ist ein Milbenmittel, das innerhalb Europas nur noch in Italien zum Einsatz kommt. Mit 0,057 Milligramm pro Kilo (mg/kg) liegt die in den Dinon-Tomaten gemessene Konzentration unter der in Italien zulässigen Höchstmenge von 0,5 mg Fenson pro Kilo Gemüse. Das Pestizid wird vermutlich 2003 vom Markt genommen - vornehmlich aus wirtschaftlichen Gründen.
- DDE ist ein Abbauprodukt von DDT. Dieses Organochlorpestizid wurde in den 50er- und 60er-Jahren breitflächig zur Insektenbekämpfung eingesetzt. Seit fast 30 Jahren ist sein Einsatz in Europa verboten. DDT wird extrem langsam abgebaut und reichert sich in der Nahrungskette an. Über 90 Prozent der Muttermilchproben dürften nach geltendem Recht nicht als Lebensmittel verkauft werden.
Im Bell-Produkt wurde eine DDE-Konzentration von 0,054 mg/kg Tomaten erreicht. Damit wird der Toleranzwert von 0,05 mg/kg für Gemüse leicht überschritten. «Ein toxikologisches Problem stellt dies nicht dar», sagt Claude Wüthrich von der Fachstelle Pflanzenschutzmittel beim BAG. Zumal dieser Toleranzwert für Frischgemüse gelte. Für Trockengemüse dürfte man etwa einen viermal höheren Faktor zugrunde legen.
Zum Vergleich: Für Eier gilt ein Grenzwert von 0,1 mg/kg. Ursache für die DDE-Verunreinigung der Tomaten sind vermutlich belastete Böden, die früher mit DDT behandelt oder mit Dung vermischt wurden, in welchem sich über die Nahrungskette DDT akkumulierte.