Zugegeben: Bern ist nicht gerade eine Weltstadt. Aber auch nicht ein Dorf. Deshalb ­wun­derte ich mich letzthin ein bisschen, als ich in un­serer Migros-Filiale auf eine Neuheit stiess: «Riebchäs us dr Dorfchäsi.» Eine «Dorfchäsi» 
in der Stadt? Gibts ja nicht. Vielleicht in der Umgebung?

Vor meinem inneren Auge tauchten Bilder von ganz vielen Käsereien auf. Nur: Die eine ist seit kurzem geschlossen, eine andere zum Wohnhaus umgebaut worden, eine weitere beherbergt ein Künstleratelier, in eine andere ist ein Malerbetrieb eingezogen.

Langsam wurde ich misstrauisch. Nicht zuletzt wegen der Schreibweise «Riebchäs». Hier in der Gegend würde man «Ribchäs» oder ­«Rybchäs» schreiben, aber ganz bestimmt nicht «Riebchäs».

Ich suchte auf der Packung nach dem Klein­gedruckten. Und siehe da: Ein Drittel stammt aus Schönried BE. Das ist fast 90 Kilometer von Bern entfernt. Ein weiteres Drittel stammt aus Dürrenroth BE. Immerhin nur halb so weit entfernt. Aber in der entgegengesetzten Richtung. Und ein ­weiteres Drittel stammt von Berner Alpbetrieben. Von welchen? Steht nirgends.

Mit anderen Worten: Der Reibkäse kommt nicht aus einer «Dorfchäsi», sondern wird aus mehreren Käsereien im ganzen Kanton zusammengekarrt. Und er wird nicht nur im Kanton Bern verkauft, sondern im ganzen Gebiet der Migros Aare. Dazu gehören auch die Kantone Solothurn und Aar­gau. Wer den «Riebchäs us dr Dorfchäsi» in einer Migros-Filiale in Bad Zurzach AG oder in Muri AG kauft, muss wissen: Der Käse «aus dem Dorf» hat einen Weg von rund 200 Kilometern hinter sich.

Ich bin gespannt, was sich die Leute der Migros noch einfallen lassen, um bei mir Heimatgefühle zu wecken. Vielleicht «Banane us em Garte vom Nachber». Wo dieser Garten liegt? In Kolumbien. So ein Käse!