Mit den Pensionskassenbeiträgen sorgen Angestellte und Arbeitgeber nicht nur fürs Alter vor. Sie zahlen damit auch Prämien für Versicherungsleistungen bei Invalidität oder Tod vor dem Pensionsalter – sogenannte Risikoprämien.
Missverhältnis soll legitimiert werden
Dabei geht es um sehr viel Geld: Allein die Lebensversicherungen, die im Geschäft mit der 2. Säule mitmischen, nahmen von 2005 bis 2015 rund 31 Milliarden Franken an Risikoprämien ein. Im gleichen Zeitraum belief sich ihr Aufwand für Todesfall- und Invaliditätsleistungen auf 16,2 Milliarden Franken. Ihre Einnahmen waren also fast doppelt so hoch wie die Ausgaben (K-Tipp 1/2017).
Jetzt soll dieses Missverhältnis gar gesetzlich legitimiert werden: Die Reform der Altersvorsorge 2020, die im September zur Abstimmung kommt, definiert die Risikoprämien der Lebensversicherer explizit erst dann als missbräuchlich, wenn sie «den aufgrund der Schadenstatistik erwarteten Schaden um mehr als 100 Prozent übersteigen».
Immerhin können die Versicherungen nicht verheimlichen, wie viel sie an Risikoprämien einnehmen und wie viel sie für entsprechende Leistungen ausgeben. Das wird im jährlichen Transparenzbericht der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht publiziert.
Pensionskassen halten sich oft bedeckt
Bei Pensionskassen und Sammelstiftungen dagegen sind solche Angaben oft nicht zu finden: Anlässlich einer Umfrage des K-Tipp Ende letzten Jahres gaben 14 von 25 Kassen keine Zahlen preis.
Sogar Prämienzahler blitzen ab, wenn sie bei ihrer Kasse anfragen. K-Tipp-Leser Guido Weishaupt kann das bestätigen. Im Januar wollte er von der Pensionskasse Stadt St. Gallen wissen, wie hoch der Ertrag aus Risikoprämien und der Aufwand für Risikoleistungen in den letzten Jahren waren. «Als Prämienzahler interessiert es mich schon, ob ich angemessene oder überhöhte Risikoprämien zahle», sagt Weishaupt.
Doch die Pensionskasse Stadt St. Gallen teilte ihm mit, man habe beschlossen, dass «betreffend der Höhe sowie dem Aufwand und Ertrag der Risikoprämien keine detaillierten Auskünfte an die Versicherten erteilt werden».
Aber darf eine Kasse solche Auskünfte überhaupt verweigern? Laut Basile Cardinaux, Professor für Arbeits- und Sozialversicherungsrecht an der Universität Freiburg, gilt allgemein: Die Höhe der ausgerichteten Hinterlassenen- und Invalidenleistungen sowie einer allfälligen Risikoschwankungsreserve müssen aus der Jahresrechnung der Pensionskassen hervorgehen. «Diese hat eine Kasse den Versicherten auf Anfrage auszuhändigen.»
Versicherte haben das Recht auf Transparenz
Basile Cardinaux betont ferner, aus dem Gesetz sei «ein Anspruch der Versicherten abzuleiten, von der Pensionskasse auf Verlangen zu dieser Frage informiert zu werden». Der Gesetzgeber billige den Versicherten ein Interesse zu, «überprüfen zu können, wie die zu bezahlenden Risikoprämien verwendet werden und ob allenfalls Überschüsse in den Sparprozess oder in die Deckung laufender Rentenverpflichtungen fliessen».
Vom K-Tipp damit konfrontiert, entschloss sich die Pensionskasse Stadt St. Gallen doch zu mehr Transparenz: Laut Geschäftsführer René Menet «entstand auch im Jahr 2016 im Risikobereich ein Gewinn von rund 6 Millionen Franken». Davon sei ein grosser Teil dazu verwendet worden, «die Pensionierungsverluste zu finanzieren. Der restliche Betrag des Risikogewinns wurde dazu verwendet, die finanzielle Lage der Pensionskasse zu stärken.»