Herr Beck, Sie waren vor einem Jahr in Syrien. Hatten Sie Angst?
Beim Grenzübertritt hatte ich ein wenig Angst. Ich wusste nicht, was mich erwartet. Aber als ich im Land war, hatte ich nach kurzer Zeit Vertrauen in die Menschen.
Wie bitte? In Syrien wurden viele Journalisten getötet.
Heute ist Syrien eines der gefährlichsten Länder. Aber vor einem Jahr war das noch nicht so extrem.
Was sahen Sie dort?
In den Strassen standen ausgebrannte Autos. Mich hat vor allem erstaunt, wie nahe sich die Rebellen und die Regierungstruppen waren – sie waren nur wenige hundert Meter voneinander stationiert.
Wie schützten Sie sich vor Angriffen?
Ein syrischer Lehrer begleitete mich. Er zeigte mir, wo die Scharfschützen sitzen. Die können zwei Kilometer weit schiessen. Man muss genau wissen, wo man durchgehen kann und wo nicht.
Wurden Sie in Kriegshandlungen verwickelt?
Nein. Nachts lieferten sich die Armee und die Rebellen Feuergefechte, aber nicht dort, wo ich übernachtete. Gefährlich wäre es für mich nur dann geworden, wenn mich jemand an die Armee verraten hätte.
Was machten Sie, um das zu vermeiden?
Ich schlief jede Nacht in einem anderen Haus.
Warum reisen Sie immer wieder in Kriegsgebiete?
Am Anfang reizte mich die Möglichkeit, etwas zu erleben, was als Tourist nicht möglich wäre.
Wurden Sie beim Fotografieren bedroht?
Ja, mehrmals. Einmal wurde ich auch kurz entführt. Das war 2006, als ich mit einem Journalisten nach Afghanistan reiste. Mit dem Auto fuhren wir durch die Wüste. Plötzlich sah ich im Rückspiegel vier junge Typen. Wir mussten anhalten. Sie befahlen uns, auszusteigen und uns auf den Boden zu legen. Ich war schockiert und hatte grosse Angst. Ich dachte: Was bin ich für ein Idiot! Mir wurde klar, dass wir einen Fehler gemacht hatten.
Welchen Fehler?
Bevor wir losfuhren, sassen wir vier Stunden in einem Restaurant. Die Leute merkten sofort, dass wir Journalisten waren.
Wie kamen Sie wieder frei?
Plötzlich fielen Schüsse. Die Kidnapper sagten uns dann, wir sollten alles liegen lassen und verschwinden.
Was sagt Ihre Familie zu Ihren Reisen?
Meine Frau hat Angst. Ich begreife das. Es wäre ihr lieber, wenn ich nicht mehr in Länder gehen würde, in denen Krieg herrscht. Seit ich Vater geworden bin, mache ich keine wirklich gefährlichen Sachen mehr.
Zur Person: Nathan Beck
Der 48-jährige Nathan Beck arbeitet als freischaffender Fotograf in Zürich. Seit 1995 reist er immer wieder in Kriegsgebiete. 2007 erschienen seine Fotoreportagen im Buch «Unbesiegbar» (Nagel und Kimche Verlag).