Yves Siaka aus Lausanne (Name geändert) verdient als Callcenter-Mitarbeiter 4200 Franken netto pro Monat. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Über die Jahre häuften sich 45 000 Franken Schulden an, vor allem bei Banken und Versicherungen. Jeden Monat flatterten zahlreiche neue Rechnungen ins Haus.
Der Schuldensanierer Neovia versprach ihm eine einfache Lösung: Siaka müsse nur eine monatliche Rate von 850 Franken an Neovia überweisen. Diese übernehme dann alle Verhandlungen mit den Gläubigern und zahle die Schulden ab.
Als Gegenleistung verlangte Neovia eine Startgebühr von 3640 Franken und monatliche Gebühren von 99 Franken. Plus monatlich 0,3 Prozent der Schuldsumme. Diese Kosten zog Neovia von den monatlichen Raten ab.
Neovia blitzt vor Gericht ab
Siaka bemerkte rasch, dass sein Geld nicht reichen würde, um so viel an Neovia zu zahlen. Die Firma senkte die Rate darauf auf 400 Franken. Doch wegen der Kosten für den Familienunterhalt verblieb für Siaka noch immer zu wenig, um die Schulden zu begleichen.
Nach etwas mehr als einem Jahr kündigte er dem Schuldensanierer. Siaka hatte Neovia bis dahin gesamthaft 4550 Franken abgeliefert. Davon leitete die Firma nur 2250 Franken an die Gläubiger weiter – 2300 Franken behielt sie als Honorar für sich selbst. Nach der Kündigung forderte sie noch weitere rund 2800 Franken an Honorar.
Der Fall landete vor dem Betreibungsrichter in Lausanne. Er sprach Klartext: Der unterzeichnete Vertrag enthalte eine unmögliche Sanierung, sei deshalb «unzulässig und sittenwidrig». Neovia blitzte mit ihrer Forderung vollumfänglich ab.
Gegenüber dem K-Tipp sagt Neovia-Direktor Christian Erard, der Betreibungsrichter stütze sich bei seiner summarischen Beurteilung des Falls lediglich auf Wahrscheinlichkeiten. Neovia habe den Entscheid nicht angefochten, weil der Klient nach Vertragsschluss zahlungsunfähig geworden sei.
Rausan Noori, Anwältin bei der Schuldenberatung von Caritas Schweiz, zum Hintergrund des Gerichtsentscheids: «Schuldensanierungsverträge, die dem Schuldner weniger als sein betreibungsrechtliches Existenzminimum plus einen Anteil für laufende Steuern belassen, sind sittenwidrig und unmöglich zu erfüllen.»
Laut Caritas sind viele Schuldner erfolgreich, die sich gegen solche Verträge wehren. «Oft verzichten die Sanierer auf die offenen Forderungen, wenn ein Kunde kündigt», sagt die Caritas-Anwältin. In Einzelfällen hätten die Schuldner auch schon das Honorar zurückbekommen.
Kunde darf sich nicht zusätzlich verschulden
Eine Schuldensanierung sollte nicht länger als drei Jahre dauern, sagt der Dachverband Schuldenberatung Schweiz. Geschäftsleiter Sébastien Mercier: «Falls dies nicht reicht, um alle Schulden zu bezahlen, sollten die Sanierer mit den Gläubigern verhandeln, damit ein Teil der Schuld erlassen wird.» Laut Mercier setzen sich allerdings viele Sanierer nur selten für eine Reduktion der Schulden ein.
Das Bundesgericht bestätigte im Jahr 2012 die Verurteilung eines Schuldensanierers wegen Betrugs (K-Tipp 9/2012). Das Gericht urteilte: Die Gebühren dürfen nicht überrissen sein, und der Kunde darf sich keinesfalls noch zusätzlich verschulden.
Laut Sébastien Mercier arbeiten die gemeinnützigen Beratungsstellen des Dachverbands Schuldenberatung in vielen Kantonen kostenlos, in anderen zu kostendeckenden Preisen. «Private Schuldensanierer dagegen sind gewinnorientiert und haben undurchsichtige Tarifgefüge.» Oft sei es für die verschuldeten Personen unmöglich, die Gesamtkosten einzuschätzen.
Mercier hält es nicht für sinnvoll, ein pauschales Honorar in Prozenten der Schulden zu vereinbaren. Denn so verursache eine hohe Verschuldung bei nur einem einzigen Gläubiger hohe Honorarkosten – obwohl der Sanierer deutlich weniger Aufwand habe, wenn er mit nur einem statt mehreren Gläubigern verhandeln müsse.
Tipps: Forderungen genau prüfen
Prüfen Sie als Schuldner alle Forderungen genau. Nicht jede ist gerechtfertigt. Mahnspesen sind nur geschuldet, wenn sie vereinbart sind. Einen pauschalen Verzugsschaden müssen Sie nicht zahlen (K-Tipp 2/2016).
Gewisse Rechnungen sollte man immer fristgemäss zahlen. Bei Mietverzug droht der Rauswurf aus der Wohnung. Und bei einigen Versicherungen entfällt der Schutz, wenn man zu spät zahlt. Mit den Steuerbehörden hingegen kann man reden.
Nehmen Sie keine Kleinkredite auf, um offene Rechnungen zu zahlen. Denn der Kreditzins ist meist höher als der Verzugszins für zu späte Zahlung. Wer das Bankkonto überzieht, zahlt meist hohe Zinsen – das gilt auch bei offenen Rechnungen von Kreditkarten.
Ein Privatkonkurs stoppt laufende Betreibungen und Lohnpfändungen. Trotzdem bleiben die Forderungen in Form von Verlustscheinen bestehen. Lassen Sie sich vor einem Privatkonkurs unbedingt umfassend beraten.
Meiden Sie kommerzielle Schuldensanierer. Eine Liste mit seriösen Beratungsstellen ist zu finden auf Ktipp.ch/a1051859.
Eine seriöse Sanierung lässt neben den Abzahlungsraten genügend Geld für das Existenzminimum plus die laufenden Steuern. Ihr Existenzminimum können Sie hier provisorisch berechnen: Caritas-schuldenberatung.ch ! Service ! Tests.