Die September-Nummer von «Betty Bossi» stellt das Rezept «Zander auf Gurkenragout mit Pizzaecken» vor. Die Zutaten zeigen den ausgewallten Fertig-Bio-Pizzateig von Coop für Fr. 3.20. Im Kochrezept hätte man eher die Anleitung zur Herstellung des Pizzateigs erwartet. Das kostet viel weniger als die Fr 3.20 für den Bio-Teig – doch damit wäre die Werbung für das Fertigprodukt weggefallen. Auf der gleichen Seite findet sich ein Bestelltipp aus dem «Betty Bossi»-Online-Shop: Das Teigrädli für Fr. 16.90.
Typisch auch das Rezept für Rindshohrücken. Hier dient die Kochanleitung dazu, gleich für zwei Produkte zu werben: Für einen australischen Shiraz (Bezugsquelle: Coop) und für ein Fleischthermometer von «Betty Bossi».
Der Verdacht liegt auf der Hand: Die Rezepte scheinen im Hinblick auf die Werbung für bestimmte Produkte zusammengestellt. «Betty Bossi»-Sprecherin Danja Spring widerspricht: «Zuerst steht das Rezept.»
Trotzdem wird bei «Betty Bossi» klar: Werbung und Redaktionelles sind bunt gemischt. Wie in andern Kochzeitschriften finden sich Rezepte, die Produkte verkaufen sollen – geschickt verpackt in Kochanleitungen.
«Betty Bossi»: Viel Werbung für teure Produkte von Coop
Herausgeber der Kochzeitschriften sind Ringier und Coop («Betty Bossi»), die Migros («Saisonküche»), der Verband der Schweizer Milchproduzenten («Le Menu») sowie der AZ Fachverlag («Annemarie Wildeisen’s Kochen»). Trotz der Vermischung von Werbung und Tipps sind die Zeitschriften nicht gratis: Sie kosten im Abo zwischen Fr. 21.90 und 68 Franken.
Wer die Rezepte sklavisch befolgt, zahlt noch mehr. In den «Betty Bossi»-Rezepten kommen nämlich meist nicht günstige Produkte zum Zug, sondern zum Beispiel Fine-Food-Artikel. Das ist die oberste Preisklasse bei Coop. So enthält das Rezept «Maispolenta mit Rucola-Öl» die Polenta Bianca. Der 100-Gramm-Preis für die Fine-Food-Polenta beträgt Fr. 1.17. Gewöhnlicher Maisgriess kostet bei Coop nur 24 Rappen pro 100 Gramm. Im 28 Seiten starken September-Heft werden sieben Coop-Produkte und sechs Artikel aus dem «Betty-Bossi»-Internet-Shop im redaktionellen Teil beworben.
Das Nachkochen der Rezepte ist übrigens keine Herausforderung. Die meisten Kochanleitungen sind überschrieben mit «Schnell & einfach».
Die Migros führt mit der «Saisonküche» einen ähnlichen Titel. Die Werbung im Blatt ist aber zurückhaltender. Abgebildet sind in der Regel nur die fertigen Rezepte und keine Produkte der Migros. Teilweise wird sogar auf andere Hersteller verwiesen («Aus dem Delikatessengeschäft»).
Doch sind auch hier 3 der rund 40 Rezepte an eine Produktwerbung gekoppelt. Auf je einer Doppelseite stellt die Migros im Rezeptteil Bio-Produkte, Terra-Suisse-Fleischprodukte sowie ein Produkt der Edellinie Sélection vor. Migros-Sprecherin Martina Bosshard räumt ein, dass in diesen Fällen zuerst das zu bewerbende Produkt bestimmt wird und die Köche dann das Rezept dazu entwickeln.
Ähnlich wie Coop setzt die Migros bei der Produktewerbung im redaktionellen Teil auf teure Produkte. Das vorgestellte Haselnussöl von Sélection zum Beispiel kostet Fr. 11.50 pro Deziliter. Die Rezepte sind aber weniger als bei «Betty Bossi» auf Schnelligkeit ausgelegt. Empfehlungen für Fertigprodukte findet man kaum.
«Le Menu» bewirbt Alpkäse mit Johanna Spyris «Heidi»
Der Verband der Milchbranche Swissmilk verfügt mit «Le Menu» ebenfalls über eine Kochzeitschrift, um seine Produkte zu vermarkten. Fast jedes der gegen 40 Rezepte enthält Milchprodukte. Dies ist Konzept: «Wir wollen dazu anregen, Milchprodukte regelmässig zu verwenden», sagt Swissmilk-Sprecherin Barbara Pauslen Gysin.
In der September-Ausgabe hat der Alpkäse seinen grossen Auftritt. Unter dem Titel «Blickpunkt» erscheint eine sechsseitige Reportage zur Entstehung von Alpkäse. Unter anderem ist dort zu lesen: «Der Alpmilch – und den Alpkäsen – werden besondere Eigenschaften zugeschrieben. Etwa in Johanna Spyris ‹Heidi›. Dort hat die Alpmilch mitgeholfen, die kranke Klara gesunden zu lassen.» Zum Schluss der Reportage folgt die Aufforderung: «Der Alpkäse schmeckt hervorragend. Versuchen lohnt sich.» Um dies zu erleichtern, gibt es dazu fünf Rezepte, die alle Alpkäse enthalten.
Werberezepte werden eigens für Inserenten zusammengestellt
Hinter «Annemarie Wildeisen’s Kochen» steht kein Verband oder Grossverteiler, sondern ein Zeitschriftenverlag. Trotzdem enthalten auch Wildeisens Rezepte viel Werbung: Im September-Heft finden sich Anleitungen, bei denen das Inserat daneben gleich die Zutaten anpreist. So steht neben der Sbrinz-Anzeige das Rezept für eine Quiche mit Zucchetti und Sbrinz. Und unter einem Kambly-Guetsli-Inserat gibts ein Rezept für eine Creme mit Kambly Sablés. Neben einem Inserat für eine Fritteuse findet sich ein Apfelküchlein-Rezept und neben dem Kaninchenfilet im Kräuterhemd steht der «Miele Tipp». Dort heisst es, das gleiche Rezept lasse sich schneller im Miele-Dampfgarer zubereiten.
Sylvia Sommer von «Kochen» gibt zu: «Die Werberezepte stammen meist vom ‹Kochen›-Team.» Sie werden also eigens für die Inserenten zusammengestellt und sind optisch gleich aufgemacht wie die übrigen Kochanleitungen. Nur in kleiner Schrift steht «Publiinfo» oder «Inserat». Auf der Seite mit dem Kambly-Rezept fehlt jeglicher Hinweis.
Kochzeitschriften: Rezepte im Abonnement
«Betty Bossi», 10-mal jährlich, 28 Seiten, Jahresabo Fr. 21.90. Herausgeber: Ringier und Coop je zur Hälfte.
– Werbeblatt, Fokus auf Zutaten und Produkten.
+ Für Eilige, Schritte sind bebildert.
«Saisonküche», 12-mal jährlich, 84 Seiten, Jahresabo Fr. 39.–, Einzelpreis Fr. 4.90. Herausgeber: Migros Genossenschaftsbund.
– Viel Migros-Werbung, vereinzelt in den Rezepten.
+ Themendossiers, detaillierte Angaben zu Zubereitungszeit und Nährwerten, schöne Bilder.
«Le Menu», 10-mal jährlich, 92 Seiten, Jahresabo Fr. 68.–, Einzelpreis Fr. 7.50. Herausgeber: Schweizer Milchproduzenten Swissmilk.
– Fokus auf Milchprodukten, wenig leichte Rezepte.
+ Übersichtlich, gute Infos zu Zubereitungszeiten und Nährwerten, kleine Symbole (schnell, vegetarisch, leicht).
«Annemarie Wildeisen’s Kochen» 10-mal jährlich, Jahresabo Fr. 68.–, Einzelpreis Fr. 7.50, Herausgeber: AZ Fachverlage AG.
– Vermischung von Werbung und redaktionellem Teil/Rezepten, keine Angabe zur Gesamtzubereitungszeit.
+ Hilfreiche Tipps dazu, was man vorbereiten kann, Rezeptideen etwas origineller als bei der Konkurrenz.