Die Krankenkassenprämien sind in den vergangenen zwanzig Jahren im Durchschnitt um 147 Prozent gestiegen, die Löhne bloss um 26 Prozent (siehe Seite 4). Folge: Die Haushalte müssen einen immer grösseren Teil des Einkommens an die Krankenkassen weiterleiten. Das trifft besonders Wenigverdiener hart. Um diese zu entlasten, gibt es Prämienverbilligungen. Damit beteiligt sich der Staat an den Gesundheitskosten.
Im Jahr 2015 wurden in der Schweiz laut einer Statistik des Bundesamts für Gesundheit total rund 4 Milliarden Franken ausbezahlt. Ein Teil des Geldes kam vom Bund, ein anderer von den Kantonen.
Bis zum Jahr 2008 mussten die Kantone noch mindestens einen Drittel der Prämienverbilligungen bezahlen.
Heute überweist die Bundeskasse einen festen Betrag an die Kantone. Und diese legen dann selbst fest, wie viel sie noch zusätzlich übernehmen. Die Kantone entscheiden auch, bis zu welcher Einkommensgrenze die Versicherten einen Zuschuss erhalten und wie hoch dieser ist.
Dramatische Lage in Luzern
Seit 2010 sinkt der Anteil der Kantone am Betrag, der für die Prämienverbilligungen zur Verfügung steht. Auch in diesem Jahr kürzten wieder mehrere Kantone ihre Beiträge, unter anderem Luzern und Schwyz. Diese Sparmassnahme der Kantone trifft genau diejenigen, die auf den Zuschuss angewiesen sind.
Besonders dramatisch ist die Lage in Luzern. Dort erhielten viele Bürger die Prämienverbilligungen in diesem Jahr nicht oder erst mit Verspätung. Grund: Das Luzerner Parlament hatte das Kantonsbudget zu spät verabschiedet. Als Folge mussten rund 20 000 Versicherte die Krankenkassenprämien in vollem Umfang selbst zahlen, obwohl das viele in finanzielle Schwierigkeiten brachte.
Kommt hinzu: Im September senkte das Luzerner Parlament die Einkommensgrenze zum Bezug der Prämienverbilligung für Familien mit Kindern und jungen Erwachsenen in Ausbildung. Früher hatten Familien bis zu einem Einkommen von 75 000 Franken Anrecht auf Prämienverbilligung. Ihre Kinder und ihre jungen Erwachsenen in Ausbildung mussten nur noch die Hälfte einer Durchschnittsprämie zahlen. Neu liegt die Einkommensgrenze bei 54 000 Franken. Folge: Rund 5400 Haushalte verloren den Anspruch auf einen Zuschuss an die Prämien. Bereits erhaltene Beträge müssen sie zurückzahlen.
Fünf Betroffene wollen sich das nicht gefallen lassen. Sie reichten beim Kantonsgericht eine Beschwerde ein.
Tipp: Wer im Kanton Luzern wohnt und das Anrecht auf Prämienverbilligung durch die Neuregelung verlor, sollte für 2018 vorsorglich einen neuen Antrag stellen.
Prämienverbilligung: Die wichtigsten Tipps
Zuständig ist der Kanton, in dem die Versicherten am 1. Januar des Jahres ihren Wohnsitz haben.
Die Frist zur Einreichung des Gesuchs auf Prämienverbilligung ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Wer die Frist verpasst, verliert den Anspruch. Die Liste der kantonalen Behörden finden Sie unter www.ahv-iv.ch ! Kontakte.
Laut Gesetz sorgen die Kantone dafür, dass die Versicherten die Prämien nicht vorschiessen müssen. Der Kanton muss die Prämienverbilligung somit rechtzeitig an die Krankenkassen überweisen.
Gelegentlich kommt es vor, dass der Kanton verspätet zahlt. Die Prämie müssen Sie trotzdem voll bezahlen. Haben Sie zu wenig Geld, können Sie die Krankenkasse um eine Stundung (Zahlungsaufschub) bitten.
Entstehen Ihnen wegen verspäteter Prämienverbilligung Betreibungs- und Verzugskosten, weil die Krankenkasse den vollen Betrag geltend macht, können Sie die entstandenen Kosten vom Kanton zurückverlangen.Karl Kümin
Bundesgelder: Verwendung nicht transparent
Jürg Tiefenthal, Sozialversicherungsrechtler an der Universität Zürich, hat die Praktiken rund um die Prämienverbilligung am Beispiel des Kantons Zürich untersucht.
Tiefenthal kritisiert: «Der Kanton Zürich zeigt nicht transparent auf, wie er die Bundesgelder verwendet.» Er mische Bundesbeiträge mit eigenen Geldern in einem Topf. Daraus würden dann verschiedene Leistungen bezahlt. Das könne zu einer Zweckentfremdung von Bundesgeldern führen. Unzulässig sei es unter anderem, wenn der Kanton mit Bundesgeldern die Prämienverbilligungen der Bezüger von Ergänzungsleistungen (EL) oder Sozialhilfe bezahle. Das seien kantonale Aufgaben. Das heisst: Die Gelder dafür müssten vom Kanton stammen. Senke der Kanton Zürich seinen Anteil an den Prämienverbilligungen noch stärker, bestehe die Gefahr, dass er den Bundesbeitrag für kantonale Aufgaben wie EL- und Sozialhilfebeiträge verwende.
Tatsächlich wenden insbesondere Bern, Glarus und Schwyz solche Praktiken an. Die Kantone finden das unproblematisch: Man verwende den Bundesbeitrag «gesetzeskonform», heisst es. Das Bundesamt für Gesundheit habe dies jährlich kontrolliert und genehmigt.