Stolz drückt Andreas Rupf seinem Sohn die Metallsäge in die Hand. Durchdringend kreischt die Säge, als sie der 13-Jährige in die vor ihm stehende Regentonne sticht. «Die Maschine macht Krach, riecht nach Benzin und man kann damit auch Sachen zerstören», schwärmt der ­Vater. Die Rupfs tragen einen Ohrenschutz. Das ist auch besser. Denn das Gartengerät lärmt mit 96 Dezibel. Das ist gefährlich – ab 85 Dezibel leiden die Ohren, wie der Dokumentarfilm «Lärm ohne Grenzen» von Dorothee Kaden zeigt. Die deutsche Regisseurin begleitet die Frankfurter Familie Rupf und die französische Familie Le Lionnais in ihrem Alltag und zeichnet auf, welchem Lärm sie dabei ausgesetzt sind. Kaden interviewt auch zahlreiche Experten, die ­erklären, welche Schäden die Ohren davontragen können. 

Der Film fördert Überraschendes zutage. Denn er behandelt nicht nur bekannte Lärmquellen wie Feuerwerk, Disco-Musik und Verkehr. Es geht auch um banale Handlungen, zum Beispiel ein schmatzender Kuss aufs Ohr. Resultat: Die Liebkosung erreicht Höchstwerte von 130 Dezibel. Das ist fast ein Drittel lauter als Disco-Musik. Im schlimmsten Fall kann der Kuss ein Baby für immer schwerhörig machen. 

Unter dem Strich überzeugt der Film aber nicht. Denn obwohl die Experten mit Studien aufwarten, gelingt es ihnen nicht ganz, zu zeigen, dass Lärm ein grosses Problem ist. Denn die Hauptpersonen im Film, die zwei Familien, scheint er gar nicht zu kümmern. Im Gegenteil: Vater Rupf liebt seine Gartengeräte. Und die Familie Le Lionnais stört der Krach in der ­eigenen Autowerkstatt gar nicht. Betroffene, die unter Lärm leiden, kommen nicht vor. Deshalb hinterlässt der Film den – falschen – Eindruck, dass Lärm ein reines Expertenproblem sei.

bedingt empfehlenswert

«Lärm ohne Grenzen», Dokumentarfilm von Dorothee Kaden, 8. Juli, 20.15 Uhr, auf Arte