Der lange silberne Stab dringt durch die Haut in den Oberschenkel und bewegt sich zügig hin und her. Der Arzt Roland Schaffer isoliert damit das störende Fett und saugt es ab. 2 bis 3 Liter Fett werden es am Ende sein. Es ist laut. Das Gerät klingt wie eine Kreissäge. Plötzlich hält der Arzt den Stab in die Kamera und sagt: «Das ist der neue Skin-Styler. Den habe ich selbst entwickelt und patentieren lassen.» Dann schiebt er den Stab wieder in den Oberschenkel. Roland Schaffer operiert live in der TV-Sendung «Gesundheit Sprechstunde» vom 5. Februar.
Probleme treten bei jedem zehnten Fall aufDer Arzt erzählt der Moderatorin, dass bei ihm in der Klinik «noch nie eine Operation schiefgegangen ist». 2 von 100 Patienten seien nach der Operation halt mal unzufrieden, sagt er. «Dann werden im Nachhinein kleinere Korrekturen und Angleichungen nötig», fügt er hinzu.
Wegen dieses Auftritts am Schweizer Fernsehen wird nun Kritik laut: Margrit Kessler von der SPO Patientenschutz ärgert, dass Schaffer hemmungslos Werbung für sich machte. «Das ist problematisch», so Kessler, denn immerhin handle es sich um eine Operation mit Risiken. Und Catherine Perrin von der Schweizerischen Fachgesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie bezweifelt, dass bei Schaffers Operationen nie etwas schiefgegangen ist.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Fettabsaugen die Schönheitsoperation mit der grössten Komplikationsrate ist. Wissenschafter schätzen, dass bei jedem zehnten Fall Probleme auftreten. In seltenen Fällen kann der Eingriff sogar zum Tod führen. Begriffe wie Bodystyling oder Lipoforming, die von Ärzten für das Fettabsaugen häufig verwendet werden, klingen in diesem Zusammenhang verharmlosend.
Neben Verletzungen durch Saugkanülen können Infektionen und schwere Blutungen auftreten. Verletzt der Arzt während der Operation Nerven, können dauerhafte Gefühlsstörungen die Folge sein. Weitere Risiken sind Schmerzen, Blutergüsse oder Dellen. Komplikationen treten besonders dann auf, wenn Ärzte zu viel Fett absaugen.
Jeder Arzt darf sich Schönheitschirurg nennen und operieren In der Schweiz lassen sich mittlerweile jährlich 20 000 bis 30 000 Menschen ihr Fett an Bauch, Po und Beinen absaugen. Das ist nicht billig: Zwischen 2000 bis 15 000 Franken verlangen Ärzte oder Kliniken für die Operation. Das Geschäft mit der Traumfigur ist lukrativ – und tatsächlich braucht es dafür keine spezifische Ausbildung. Egal ob Haus-, Haut-, oder Frauenarzt: Jeder kann sich Schönheitschirurg nennen und Fettabsaugungen anbieten. Auch der Arzt Roland Schaffer hat keine spezielle Ausbildung für Schönheitschirurgie.
Trotzdem behauptet Roland Schaffer in ganzseitigen Inseraten, dass seine Klinik «das einzige Kompetenzzentrum im Fettabsaugen» sei. Und dass bei ihnen nach einer Behandlung an der abgesaugten Stelle «garantiert keine Dellen zurückbleiben» würden. Denn sie verwendeten selbst entwickelte Kanülen. Dadurch hätten sie bessere Resultate beim Fettabsaugen. Zudem arbeiteten er und die anderen Ärzte seiner Klinik «am stehenden Modell – wie Bildhauer». Auf diese Weise könnten sie «sicherstellen, dass die Körpersilhouette ausgeglichen» sei.
Mit diesen Aussagen verärgert Schaffer die Konkurrenz und die Ärztegesellschaften: «Einziges Kompetenzzentrum – das ist ein Witz», sagt der Schönheitschirurg Georg Noever von der Klinik Pyramide in Zürich. Roland Schaffer verletze mit diesen Aussagen die Standesregeln der Ärztegesellschaft FMH, doppelt Catherine Perrin nach. Diese Art von Werbung sei unzulässig.
Ein Resultat ohne Dellen kann nicht garantiert werdenSchaffers spezielle Kanülen hält Stefan Hägeli von Acredis «für einen PR-Gag». Die Firma Acredis arbeitet eng mit der SPO Patientenschutz zusammen. Bei Acredis erhalten Interessierte Informationen über Schönheitsoperationen und die Qualität von Ärzten. Gemäss Hägeli verwenden alle seriösen Ärzte, die Fett absaugen, ähnliche Kanülen. Laut Fachleuten sei es zudem nicht möglich, einem Kunden ein Resultat ohne Dellen zu garantieren. Das sei nicht realistisch, weil man vor allem bei älteren Personen nicht wisse, wie sich das Gewebe danach verhalte.
Auch dass die Patienten während der Operation besser stehen als liegen sollen, ist umstritten. Stefan Hägeli: «Vor der Operation spritzt der Arzt eine Flüssigkeit ins Gewebe, und dieses schwillt darauf an. Die ursprünglichen Proportionen sind während der Operation also gar nicht erkennbar.»
Der Zürcher Schönheitschirurg Christophe Christ sagt: «Es ist für den Patienten unangenehm, während des Eingriffs zu stehen.» Hinzu komme das Risiko eines Kollapses. Wenn jemand während der Operation hinfalle, sei das Operationsgebiet nicht mehr steril – und das Risiko einer Infektion steigt.
«Ergebnisse haben nichts mit einem Arzttitel zu tun»Roland Schaffer reagiert auf die Kritik gelassen. Er befasse sich seit zehn Jahren ausschliesslich mit dem Fettabsaugen und habe in dieser Zeit über 5000 dokumentierte Eingriffe durchgeführt. Die Erfahrung zeige: «Die Ergebnisse einer Operation haben nichts mit einem Arzttitel zu tun, sondern mit künstlerischem Talent.» Wenn ein Arzt nicht gut zeichnen könne und über kein gutes Gewebegefühl verfüge, sei er für das Fettabsaugen ungeeignet.
Zudem habe er sehr wohl Erfahrung in Chirurgie: Fünf Jahre lang habe er in diversen Kantonsspitälern und Universitätskliniken in verschiedenen chirurgischen Disziplinen gearbeitet. «Den Chirurgentitel hätte ich sicher machen können», sagt Schaffer. «Ich hatte jedoch keine Lust, jahrelang auf einen entsprechenden Titel zu warten.» Mit Kritik müsse man immer rechnen, sagt er – vor allem dann, wenn man erfolgreich sei.
Fettabsaugen: Das müssen Sie beachten- Fettabsaugen kostet zwischen 2000 und 15 000 Franken und ist nicht ohne Risiken.
- Fettabsaugen ist keine Methode, um abzunehmen. Gute Ergebnisse sind nur zu erwarten, wenn ein Patient annähernd Normalgewicht hat.
- Suchen Sie mehrere Ärzte auf und machen Sie die Entscheidung nicht vom Preis abhängig. Wichtiger ist, Vertrauen zum Arzt zu haben.
- Wählen Sie einen spezialisierten und erfahrenen Arzt. Vergewissern Sie sich, dass dieser Sie auch selber operiert.
- Lassen Sie sich vom Arzt über Folgendes aufklären: Operationsmethode, das angestrebte Ergebnis, die Dauer der Behandlung, Nebenwirkungen, Komplikationen, Nachbehandlung.
- Begutachten Sie vorgängig die Behandlungs- und Operationsräume.
- Verlangen Sie einen Kostenvoranschlag, der alles umfasst: Operation, Narkose, Medikamente, stationäre Unterbringung, Vorgespräche, Nachuntersuchungen.
Weitere Auskünfte erhalten Sie beim Beratungszentrum für Schönheitsoperationen:
Acredis
Splügenstrasse 10
8002 Zürich
Tel. 044 283 20 40
www.acredis.com
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