Noch heute schreiben die SBB auf ihrer Homepage: «Mit dem Gleis 7 sind Sie von 19 bis 5 Uhr kostenlos in der 2. Klasse unterwegs» (siehe linkes Bild). Doch das ist falsch. Das musste eine junge K-Tipp-Leserin erfahren, als sie um 4 Uhr morgens im Zug von ­Zürich nach Luzern ihr Gleis-7-Abo vorwies. Sie hätte einen Nachtzuschlag von 5 Franken zahlen müssen, sagte ihr der Kondukteur. Folge: Die junge SBB-Kundin musste neben dem Nachtzuschlag gleich auch noch eine Busse von 70 Franken zahlen.


SBB verweigerten Stellungnahme

Doch woher hätte die Betroffene wissen sollen, dass sie trotz ihres Gleis-7-Abos einen Nachtzuschlag lösen muss? Das hätte der K-Tipp bereits Anfang Jahr gerne von den SBB wissen wollen. Aber diese verweigerten jegliche Stellungnahme – aus Protest gegen die Service-public-Initiative des K-Tipp (siehe Ausgabe 2/2013).

Deshalb gelangte der ­K-Tipp ans Bundesamt für Verkehr als Aufsichtsbehörde. Dieses verlangte anschliessend von den SBB in drei Fällen Auskunft:

  • Im oben geschilderten Fall hatten die SBB die Busse nachträglich von  70 auf 50 Franken reduziert – wegen «der besonderen ­Situation». Nur: Es gab gar keine besondere Situation. Dutzende von Jugendlichen geraten Wochenende für Wochenende in diese Lage. Gegenüber dem Bundesamt meinten die SBB, die Informationen im Fahrplan, an den Zügen und im Internet seien ausreichend. Sie hielten deshalb an der Busse fest.
  • Der zweite Fall: Ein Passagier hatte auf seinem Handy ein Billett vom Zürcher Manesseplatz nach Neftenbach ZH gelöst. Das Billett war von 1.29 bis 3.30 Uhr gültig – also nur in Verkehrsmitteln mit Nachtzuschlag. Trotzdem konnte das Billett ohne Nachtzuschlag gelöst werden. In diesem Fall nahmen die SBB die Busse von sich aus zurück.
  • Im dritten Fall löste eine Reisende am Automaten kurz vor 2 Uhr morgens ein Ticket von Zürich nach Aarau. Auch hier fehlte der Hinweis auf den Nachtzuschlag. Die Reisende musste trotzdem eine Busse von 70 Franken zahlen.



«Gelinde gesagt seltsame Argumentation»

Das Bundesamt für Verkehr forderte die SBB zur Stellungnahme auf. Diese fiel aber wenig überzeugend aus. Das Bundesamt schreibt: «Die Argumentation erscheint gelinde gesagt seltsam.»

In seiner Verfügung hält das Bundesamt zwar fest, dass der Nachtzuschlag von 5 Franken grundsätzlich rechtens sei. Aber:

  • Wenn ein Kunde ein Billett kauft, bei dem davon auszugehen ist, dass es in der Nacht benützt wird, dann hat «das Transportunternehmen die Pflicht, von sich aus auf das Nachtzuschlagserfordernis hinzuweisen und ihm ohne weitere Aufforderung ein Billett anzubieten, welches den Nachtzuschlag umfasst».
  • Auch mit tagsüber verkauften Billetten erwecken die SBB laut dem Bundesamt den Eindruck, «dass eine Fahrt ohne Nacht­zuschlag zulässig sei». Die SBB müssten «diesen ­Anschein beseitigen, etwa indem sie jedes nachtzuschlagspflichtige Fahrzeug eindeutig kennzeichnen».


Auch bei den Besitzern eines Gleis-7-Abos haben die SBB laut der Aufsichtsbehörde einen falschen Eindruck erweckt. Deshalb müssen die SBB den obgenannten Bahnkunden die Busse zurückerstatten. Zudem dürfen sie in folgenden Fällen künftig zwar den Nachtzuschlag, aber keine Bussen mehr verlangen:

  • wenn der Kunde ein Billett zu einer Zeit kauft, die erwarten lässt, dass er ­einen zuschlagspflichtigen Kurs benützt
  • wenn er ein Billett zu ­einer anderen Zeit kauft, aber zum ersten Mal geltend macht, nichts vom Nachtzuschlag gewusst zu haben
  • wenn er das Gleis-7-Abonnement zu einem Zeitpunkt gekauft hat, zu dem die SBB irreführend dafür geworben haben, und das zum ersten Mal geltend macht Zusätzlich müssen die SBB dem Bundesamt für Verkehr 1400 Franken ­zahlen. Sie können den Entscheid ans Bundesverwaltungsgericht weiter­ziehen.