Bei der Organspende geht es um eine zentrale Frage: Wann ist ein Mensch tot? Die Organisation Swisstransplant schreibt: Ein Mensch ist tot, wenn seine Hirnfunktionen komplett und unwiderruflich erloschen sind. Anders hat es der deutsche Arzt Martin Stahnke erlebt. Er war Anästhesist an der Uniklinik Düsseldorf, wo sich eines der grössten Herztransplantationszentren in Deutschland befindet. Dort war der Arzt bei Organentnahmen dabei: «Bei rund einem Viertel der Organspender waren noch Lebenszeichen zu sehen.»

Stahnke nahm diese Lebenszeichen anfänglich nicht ernst. Er ging davon aus: Der Hirntod war be­stätigt, der Spender spürt nichts mehr. Der Arzt erlebte aber immer wieder, dass hirntote Spender nicht einfach reglos auf dem Operationstisch lagen. Sie zeigten Reaktionen – vor allem auf den Schnitt, mit dem der Körper geöffnet wird, um ein Organ zu entnehmen. Puls und Blutdruck des angeblichen Toten stiegen in diesem Moment rasch an. Für tot erklärte Organspender schütteten Stresshormone in hoher Dosis aus. Für Stahnke war bald klar: «Organspender bemerken etwas.» 1997 hörte der Anästhesist mit Organentnehmen auf. Heute ist er Vizepräsident der Interessengemeinschaft «Kritische Aufklärung über Organtransplantation». 

Hohe Fehlerquote bei Hirntod-Diagnosen

Noch heikler ist es, wenn Fehler dazukommen: Laut der deutschen «Ärztezeitung» ergab eine Auswertung von 58 Hirntod-Protokollen der  Jahre 2001 bis 2005, dass bei 16 für hirntot erklärten Spendern die Hirntoddiagnose nicht bestätigt werden konnte. Bei 5 von ihnen wurde noch Spontanatmung oder Hirn­aktivität nachgewiesen.

Eine Untersuchung der deutschen Stiftung Organspende fand eine ähnliche Fehlerquote: Forscher bewerteten 70 von 224 Hirntodprotokollen als fehlerhaft. Es gab einfache Datumsfehler, aber auch gravierende Fehler. In einigen Fällen wurde die Hirntoddiagnostik durchgeführt, obwohl der Organspender Schlafmittel erhalten hatte. Solche Wirkstoffe können einen Hirntod vortäuschen.

Swisstransplant schreibt, in der Schweiz sei «kein Fall bekannt, bei dem Organe von einem nicht hirntoten Patienten entnommen wurden». Die Organisation bestätigt aber, dass Organspender beim Haut-schnitt mit ansteigendem Puls und Blutdruck reagieren könnten. Das sei ein Zeichen, dass das vegetative Nervensystem noch funktioniere und das Rückenmark noch intakt sei. Das periphere Nervensystem funktioniere unabhängig vom Hirn. Damit sich Organspender während der Organentnahme nicht bewegen oder Stresshormone ausschütten, bekommen sie gemäss Swisstransplant muskellähmende Medikamente.

Hirntote Organspender nehmen laut gängiger Lehrmeinung nichts mehr wahr.  Trotzdem verabreichen ihnen Schweizer Spitäler Schlaf- und Schmerzmittel. Für eine Anästhesie-Pflegefachfrau, die jahrelang in einem Deutschschweizer Spital tätig war, ist das ein Widerspruch. Auch sie war bei Organentnahmen dabei und erlebte, wie warme, ­unverletzte Körper beim Hautschnitt zu schwitzen begannen. Für die Pflegefachfrau waren das «alp-traum­artige Erlebnisse». Sie kündigte die Stelle aus ethischen Gründen. Heute stellt sie im Gespräch mit dem K-Tipp die Frage: «Wie kann man sich an so etwas beteiligen?» Sie weiss aus Erfahrung: Jedes Gefühl eines Menschen drückt sich im Körper aus. Auf Stress reagiert er mit Schwitzen. Für die Frau ist das Hirntod­konzept der offiziellen Medizin fragwürdig.

Der Anästhesist Martin Stahnke gab den Organspendern jeweils Schmerzmittel. So wollte er sicherstellen, dass sie bei der Organentnahme nicht Schmerzen erleiden. Denn auch er erachtet schwer hirngeschädigte Menschen, sogenannte «Hirntote», nicht als tot. «Diese Menschen sind im Sterben begriffen, das Herz schlägt, die Lunge bringt Sauerstoff in den Körper, und sie zeigen Reaktionen.»

Buchtipp

Details zum Ablauf einer Organentnahme liefert das Buch «Organ-Trans-planta­tion» von Paolo Bavastro, Verlag Königshausen & Neumann