Drei Mal eingeschickt - und immer noch kaputt
Eines von zehn Handys geht schon im ersten Betriebsjahr kaputt. Für Konsumenten ist das doppelt ärgerlich: Denn die Läden lehnen Garantiereparaturen immer öfter ab.
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saldo 17/2005
26.10.2005
Marc Meschenmoser
Als Käufer eines Handys fühle ich mich verschaukelt», sagt Oliver Meyer. Mitte Juli, vier Tage nach dem Kauf seines Nokia 6020 Graphite, bemerkte er, dass der Lautsprecher defekt ist. Der Verkäufer der Interdiscount-Filiale Zürich Letzipark bestätigt den Schaden und stimmt einer kostenlosen Reparatur auf Garantie zu.
Drei Mal eingeschickt - doch der Schaden wurde nie behoben
Zwei Wochen später erhält Meyer sein Gerät ungeflickt zurück. Wieder schic...
Als Käufer eines Handys fühle ich mich verschaukelt», sagt Oliver Meyer. Mitte Juli, vier Tage nach dem Kauf seines Nokia 6020 Graphite, bemerkte er, dass der Lautsprecher defekt ist. Der Verkäufer der Interdiscount-Filiale Zürich Letzipark bestätigt den Schaden und stimmt einer kostenlosen Reparatur auf Garantie zu.
Drei Mal eingeschickt - doch der Schaden wurde nie behoben
Zwei Wochen später erhält Meyer sein Gerät ungeflickt zurück. Wieder schickt der Laden das Handy in die Werkstatt, wieder kommt es am 16. August unrepariert zurück. Insgesamt drei Mal sendet Interdiscount das Natel zur Werkstätte. Am Schluss vermerkt der Verkäufer etwas verzweifelt auf dem Reparaturauftrag: «3-mal eingeschickt. Immer gleicher Fehler! Doch wurde nie behoben!!!»
Ende September glaubt Musikmanager Meyer, nicht recht zu hören. Telefonisch gibt ihm der Interdiscount-Kundendienst Bescheid, dass «der Techniker keinen Fehler feststellen konnte. Das Gerät funktioniert einwandfrei.»
Dieser Fall ist typisch. Fachleute gehen davon aus, dass jedes zehnte verkaufte Gerät bereits im ersten Jahr kaputt- geht. Markus Gubler, Chef der zweitgrössten Schweizer Reparaturwerkstatt Mobiletouch, bestätigt die Zahlen: «Von jährlich rund zwei Millionen verkauften Mobiltelefonen müssen rund 200000 im ersten Betriebsjahr repariert werden.» Das Problem: Die Geräte der neuen Generation haben immer mehr störanfällige Sonderfunktionen wie Kameras oder Musikplayer. «Solch komplexe Handys haben eine höhere Ausfallrate», sagt Gubler.
Funktioniert ein Mobiltelefon nicht mehr richtig, beginnt für Gerät und Besitzer eine Odyssee. Der Verkaufsladen schickt die Telefone an Werkstätten, die im Auftrag der Hersteller wie Nokia oder Siemens meist in der Schweiz reparieren. Bei Marktführer Nokia werden kaputte Geräte teils weiter ins Billiglohnland Polen geschickt, um Fehler zu beheben.
Unglaublich: Wer Pech hat, weil sein Nokia-Mobiltelefon wenige Tage nach dem Kauf aussteigt, erhält vielleicht ein zehn Monate altes, geflicktes Modell zurück, das bereits früher schon mehrere Male zu Boden fiel. Eine Kennerin der Branche: «Der Kunde bekommt zwar ein repariertes Handy zurück, aber nicht sein eigenes. Davon erfährt er aber nichts.» Nokia bestätigt dies auf Anfrage.
Handys von Motorola und Sony Ericsson sind am anfälligsten
Eine Befragung bei 5000 Lesern der englischen Konsumentenzeitschrift «Which» zeigt, dass bei Handys von Nokia und Samsung am wenigsten Fehler auftreten. Mittelmässig schnitten Sharp und Siemens ab. Am häufigsten Funkstille herrscht bei den Mobiltelefonen von Motorola und Sony Ericsson.
Schlechte Erfahrungen mit einem Sony-Ericsson-Gerät machte auch Persa Jovic aus Chur. Sie kaufte das Modell 700i im Sunrise-Shop für 548 Franken. Nach sechs Monaten fiel der Joystick auf der Tastatur aus.
«Ein klarer Garantiefall», dachte Jovic - und irrte sich. «Das Gerät ist durch unsachgemässe Benutzung defekt, deshalb keine Garantie», schrieb Sunrise und wollte ihr gleich ein neues Modell für 448 Franken verkaufen.
Jovic beharrte auf ihrem Standpunkt und verlangte von Sunrise, ihr die «unsachgemässe Benutzung» zu beweisen. Daraufhin landete das Natel Mitte Juni nochmals in der Werkstatt. Bald kam es zurück - mit dem Bescheid: «Am Joystick wurde gelötet, keine Garantie auf Fremdeingriffe.» Zudem sollte die Hausfrau knapp 40 Franken «Überprüfungskosten» bezahlen, um ihr Handy ungeflickt zurückzubekommen. Konkurrent Mobilezone verlangt sogar eine Pauschale von 90 Franken.
Jovic: «Ich habe das Handy nie fallen gelassen und schon gar nicht darin herumgelötet. Doch ich wurde von Sunrise nie ernst genommen.»
Handyverkäufer drücken sich vor Garantieleistungen
Im Kleingedruckten des Verkaufsvertrages schliessen die Läden praktisch sämtliche auftretenden Schäden von der Garantie aus. Beispielsweise Interdiscount: Ausgeschlossen sind Elementar-, Feuchtigkeits-, Schlag- und Sturzschäden, natürliche Abnutzung, Fehlmanipulationen, Beschädigungen durch Einwirkung von aussen. Von der Garantie ebenfalls ausgenommen sind Verschleissteile, Akkus und Gehäuseteile.
Am häufigsten werden die Garantieansprüche abgelehnt mit der Begründung «Wasserschaden». Zum Beispiel beim Nokia 6230 von Elisabeth Zimmermann aus Meilen ZH. Nach drei Monaten liess sich das Handy nicht mehr einschalten. Nokia teilte ihr mit, dass Wasserschäden nicht bezahlt würden. Die Kundin hatte ihr Telefon jedoch stets in einer Hülle getragen. Im Laden sagte ihr der Mobilezone-Verkäufer, für einen Wasserschaden genüge es, «das Natel im Badezimmer ans nasse Ohr zu halten». Doppelt ärgerlich: Obwohl ihr Handy seit Mai nicht mehr funktioniert, verlangt Sunrise, dass sie ihr Abo von monatlich 25 Franken weiterbezahle.
Vielen Kunden bleibt am Schluss nur der Frust
Doch beharrliches Reklamieren kann sich lohnen. Zumindest räumt Mobilezone-Chef Ruedi Bär das indirekt ein: «Besteht ein Kunde darauf, den Schaden nicht selbst verursacht zu haben, setzen wir uns im Zweifelsfall beim Hersteller für eine kulante Lösung ein.» Allein Mobilezone lässt pro Jahr 160000 Handys reparieren. Sunrise schiebt die Verantwortung indes an die Werkstätten ab. «Ob ein Mobiltelefon ausgetauscht wird, entscheidet der Hersteller», sagt Sprecherin Muriel Mathis. Die Hersteller würden Handys nur zurücknehmen, wenn sie nicht älter als drei Tage sind und nicht länger als 10 Minuten damit telefoniert wurde.
Oliver Meyer wiederum erhält nach dreimaliger Nichtreparatur kein neues Handy - Interdiscount teilt saldo mit, man habe das Handy überprüft und müsse den Falll «jetzt abklemmen».
Garantieansprüche abgewiesen: Das können Kunden tun
Handy defekt? Die saldo-Rechtsberater werden jede Woche mit Dutzenden von Fällen konfrontiert. Sie raten zu folgendem Vorgehen:
- Laut Gesetz beträgt die Garantiefrist 1 Jahr. Wenn der Kaufvertrag keine anderen Bestimmungen enthält, gilt das Gesetz. Folge: Bei leichten Mängeln Reduktion des Kaufpreises, bei schweren Mängeln Umtausch gegen ein neues, funktionierendes Gerät oder Geld zurück.
- Falls der Vertrag bei Defekten eine kostenlose Reparatur vorsieht: Schreiben Sie einen eingeschriebenen Brief an den Verkäufer und weisen Sie ihn darauf hin, dass Sie das Gerät nie unsachgemäss behandelt haben.
- Beharren Sie darauf, dass die Reparatur des defekten Mobiltelefons unter die Garantiebestimmung fällt.
- Verlangen Sie Ihr eigenes Handy oder ein fabrikneues Gerät zurück. Geben Sie sich nicht mit einem Occasionshandy zufrieden.
- Erwähnen Sie Ihre Kundentreue, wenn Sie schon lange Kunde Ihres heutigen Telekomanbieters sind.
- Schauen Sie in Ihrem Vertrag nach, wie lange Sie zeitlich noch an Ihren Anbieter gebunden sind. Offerieren Sie dem Telekomanbieter eine vorzeitige Vertragsverlängerung und suchen Sie sich gratis ein neues Handy aus - gegen den Verzicht auf die Reparatur.
- Ist Ihr Anspruch auf Garantieleistungen abgelaufen, können Sie das defekte Gerät der Handyklinik einschicken. Diese prüft das Gerät und macht Ihnen eine Kostenvoranschlag. Dann können Sie immer noch entscheiden, ob Sie die Reparatur ausführen lassen wollen.
Ansonsten entsorgt die Handyklinik das Telefon kostenlos. Infos unter www.handyclinic.ch