Diskriminierende Kündigung - Der Chef darf nicht nur Frauen entlassen
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saldo 11/2001
06.06.2001
Eine Kündigung, die auf Grund des Geschlechts ausgesprochen wird, ist missbräuchlich. Betroffene können eine Entschädigung verlangen.
Nora Romer (Name geändert) arbeitet in einer Produktionsfirma. Unvermittelt eröffnet ihr der Arbeitgeber eines Tages, dass er eine Teilschliessung plane, da er die Filiale auf dem Lande nicht mehr halten könne. Daher müsse er sich leider von ihr trennen. Die Kündigungsfrist würde er selbstverständlich einhalten.
Die Arbeitn...
Eine Kündigung, die auf Grund des Geschlechts ausgesprochen wird, ist missbräuchlich. Betroffene können eine Entschädigung verlangen.
Nora Romer (Name geändert) arbeitet in einer Produktionsfirma. Unvermittelt eröffnet ihr der Arbeitgeber eines Tages, dass er eine Teilschliessung plane, da er die Filiale auf dem Lande nicht mehr halten könne. Daher müsse er sich leider von ihr trennen. Die Kündigungsfrist würde er selbstverständlich einhalten.
Die Arbeitnehmerin ist von der Hiobsbotschaft nicht gerade begeistert, hofft aber auf eine baldige Zusage eines neuen Arbeitgebers. Während der Stellensuche gibt sie eines Tages nach einem Vorstellungsgespräch einer Arbeitskollegin die Klinke in die Hand. Am nächsten Tag treffen sich die beiden in der Cafeteria und diskutieren über die Kündigung. Dabei stellt sich heraus, dass ausschliesslich Frauen den blauen Brief erhalten haben. Die Männer kommen allesamt besser davon: Sie können entweder bleiben oder in die nahe gelegene Stadtfiliale wechseln.
Die ausgesprochene Kündigung bleibt gültig
Damit ist Nora Romer gar nicht einverstanden. Sie sucht ihren Chef auf und fordert eine fairere Behandlung. Dieser lenkt aber nicht ein: Die Kündigungen will er keinesfalls zurücknehmen. «Was nun?», möchte die Angestellte von saldo wissen. «Kann ich eine Weiterbeschäftigung gerichtlich erzwingen?»
Nein. Laut Gleichstellungsgesetz liegt zwar eine diskriminierende Kündigung vor, weil ein Arbeitgeber niemanden auf Grund seines Geschlechts benachteiligen darf. Dennoch bleibt die ausgesprochene Entlassung gültig. Das heisst: Sie beendet das Arbeitsverhältnis, ohne dass die betroffene Arbeitnehmerin auf gerichtlichem Weg ihre Weiterbeschäftigung erreichen könnte. Das Gesetz sieht einzig die Möglichkeit der Genugtuung vor. Dazu muss Nora Romer Folgendes beachten:
- Vor Ende der Kündigungsfrist muss sie bei ihrem Arbeitgeber gegen die Entlassung schriftlich Einsprache erheben. Diese gilt als rechtzeitig zugestellt, wenn er sie vor Ende der Kündigungsfrist zur Kenntnis nehmen kann. Aus Beweisgründen ist es ratsam, den Brief eingeschrieben abzuschicken.
- Ab Ende des Arbeitsverhältnisses hat sie 180 Tage Zeit, sich entweder mit ihrem ehemaligen Betrieb über eine Entschädigungssumme zu einigen oder die Genugtuung beim Gericht einzuklagen.
Alternative: Schlichtungsstelle statt Gericht
Vor einem gerichtlichen Verfahren schreckt Nora Romer etwas zurück. In einem solchen Fall kann eine Schlichtungsstelle für Gleichstellungsfragen weiterhelfen. Sie stellt neben dem Verfahren vor Arbeitsgericht eine Alternative dar und verfolgt vornehmlich zwei Ziele: Einerseits sollen Betroffene ermutigt werden, sich gegen geschlechtsbedingte Diskriminierungen am Arbeitsplatz zu wehren. Und andererseits gilt es, ein (teures) Gerichtsverfahren zu vermeiden, indem eine einvernehmliche Einigung gefunden wird.
Sollte zwischen Nora Romer und ihrem Arbeitgeber mit Hilfe der Schlichtungsstelle keine Einigung zustande kommen, hat sie drei weitere Monate Bedenkzeit, um sich doch noch für den Gerichtsweg zu entscheiden.
Anne Sciavilla
Hilfe bei Diskriminierungen am Arbeitsplatz
Die kantonalen Schlichtungsstellen können von Frauen und Männern angerufen werden, die sich am Arbeitsplatz auf Grund ihres Geschlechts diskriminiert fühlen - etwa hinsichtlich ihres Lohnes, der Beförderung, Weiterbildung, Gestaltung der Aufgabenzuteilung, Anstellung oder Kündigung. Ziel ist, eine einvernehmliche Regelung zwischen den Parteien zu finden, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden.
Die Schlichtungsstelle hat keine Entscheidungskompetenz. Auch kann niemand gezwungen werden, einem Vergleich zuzustimmen. Kommt aber ein Vorschlag zustande, hat die Vereinbarung den Stellenwert eines rechtskräftigen Gerichtsurteils. Wird keine Einigung erzielt, kann sich die klagende Partei immer noch an das Gericht wenden. Das Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist übrigens kostenlos.