Das schwierige Geschäft mit den alten Kleidern
Gebrauchte Kleider sammeln statt wegwerfen ist ökologisch sinnvoll. Doch der Altkleiderhandel läuft teils über dubiose Kanäle. Kritiker fordern von den Hilfswerken stärkere Kontrollen.
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Haus & Garten 2/2004
05.05.2004
GERY SCHWAGER
Die Zahlen aus dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) sind imposant: 42 000 Tonnen Alttextilien werden in der Schweiz jährlich gesammelt - das sind rund 5,7 Kilo pro Einwohner. Den Löwenanteil von 37 500 Tonnen tragen die vier Unternehmen Texaid, Solitex, Contex und Satex zusammen.
Sie alle sind eng verflochten mit Schweizer Hilfswerken, teils sogar in deren Hand. Denn die Hilfswerke haben erkannt, dass sich mit Altkleidersammlungen nicht nur umwelt- und sozialpo...
Die Zahlen aus dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) sind imposant: 42 000 Tonnen Alttextilien werden in der Schweiz jährlich gesammelt - das sind rund 5,7 Kilo pro Einwohner. Den Löwenanteil von 37 500 Tonnen tragen die vier Unternehmen Texaid, Solitex, Contex und Satex zusammen.
Sie alle sind eng verflochten mit Schweizer Hilfswerken, teils sogar in deren Hand. Denn die Hilfswerke haben erkannt, dass sich mit Altkleidersammlungen nicht nur umwelt- und sozialpolitischen Idealen nachleben, sondern auch Geld verdienen lässt.
So hat Texaid «seinen» Hilfswerken Caritas, Heks, Rotes Kreuz, Winterhilfe, Kolpingwerk und Arbeiterhilfswerk im Jahr 2002 knapp vier Millionen Franken überwiesen. Bei Solitex waren es zwei Millionen, die in die Kassen der vier Trägerorganisationen Berghilfe, Schweizer Invalidenverband, Kinderdorf Pestalozzi und Schweizerische Vereinigung der Gelähmten flossen.
Das sind schöne Summen. Allerdings hat das Geschäft mit den Gebrauchttextilien auch Schattenseiten. «Entlang der Handelskette treten verschiedene Probleme auf», weiss Stefan Indermühle, Mitarbeiter bei der entwicklungspolitisch engagierten «Erklärung von Bern» (EvB). Er spricht von Korruption, Veruntreuung der Ware, Schmuggel in andere Zielländer sowie Zoll- und Steuerbetrügereien.
Im Grundsatz hält zwar auch Indermühle das Altkleidersammeln für «eine gute und sinnvolle Idee». Nur will er deswegen negative Effekte wie die Konkurrenzierung lokaler Produktion und illegale Absatzkanäle nicht ausblenden. Und er hält fest: «Deren Auftreten hat auch damit zu tun, dass sich die Hilfswerke zu wenig mit dem Altkleiderhandel und dessen Kontrolle beschäftigen und die finanzielle Frage manchmal im Vordergrund steht.»
Nur 40 Prozent der Kleider sind noch tragbar
Tatsächlich erzielen die Schweizer Kleidersammler ihre Einkünfte praktisch ausschliesslich aus dem Verkauf der Alttextilien an ausländische Sortierwerke beziehungsweise direkt an Händler, welche die Ware vorab in Osteuropa und Afrika auf den Markt bringen. Eine lückenlose Missbrauchskontrolle entlang der Handelskanäle ist da nicht gewährleistet - selbst wenn Kleidersammler ihre Abnehmer persönlich kennen.
Kommt hinzu, dass der Aufbau eines umfassenden Monitorings die Erträge der Hilfswerke empfindlich schmälern würde. Und um diese stehts derzeit ohnehin nicht zum Besten.
Grund: Parallel zur wachsenden Verbreitung von Billigkleidern hat die Menge an qualitativ schlechten Textilien in den Sammelsäcken und -containern markant zugenommen. Heute liegt der Anteil tragbarer Kleider am gesamten Sammelgut bei rund 40 Prozent - vor zwei Jahren warens noch 50 bis 60 Prozent.
Der grosse Rest lässt sich - sofern er nicht völlig unbrauchbar ist - bestenfalls zu Putzlappen, Reisswolle, Pappe oder Dämmmatten verarbeiten. Damit ist aber kein Geld zu verdienen. «Der Prozentsatz der Ware, die nicht kostendeckend abgesetzt werden kann, ist in den letzten Jahren immer mehr gestiegen», heisst es etwa bei Texaid, die in der Schweiz als einzige Sammelorganisation ein Sortierwerk betreibt.
Texaid fordert deshalb dazu auf, keine defekten Kleider, Textilabfälle und Schnittreste in die Sammlung zu geben. Darüber hinaus sei klar: «Wollen wir in der Schweiz das gute Sammelnetz für Alttextilien aufrechterhalten, müssen Recycling-Gebühren für Alttextilien früher oder später ein Thema sein.»
Weiteren Verdruss bereiten den Hilfswerken Ertragsausfälle, die aus dem Preiszerfall für Alttextilien in den Absatzländern resultieren. Wegen grosser Mengen Gebrauchtkleider aus den USA und Kanada, vor allem aber als Folge der Konkurrenz durch neue Billigkleider aus Asien, sind die Preise für Altkleider innert Jahresfrist bis zu 40 Prozent gesunken.
Der Einbruch hat indes auch eine positive Seite. Er verringert die Gefahr, dass Händler gebrauchte Kleider zu überhöhten Preisen verkaufen könnten. «Wenn neue Kleider günstiger sind, werden gebrauchte Stücke nicht mehr gekauft», erklärt Contex-Geschäftsführer Hans Rudolf Benjamin.
In den Zielländern sollte es Mengenkontrollen geben
Das sieht man auch bei Texaid so und erwähnt zur Illustration die tiefen Altkleiderpreise, die man kürzlich in einem Moskauer Vorort angetroffen habe: Ein Paar gut erhaltene Jeans koste da zwei, ein Baumwollpullover einen Dollar.
Wenig Gutes verheisst die Billigkonkurrenz jedoch für das lokale Textilgewerbe. EvB-Mitarbeiter Stefan Indermühle fordert deshalb: «Altkleider sollten in den Zielländern reguliert auf den Markt gebracht werden.» Es brauche Mengenkontrollen, «damit nicht einzelne Regionen mit Ware zeitweise übersättigt werden». In Simbabwe etwa sei es in den letzten Jahren zu einer Verdrängung von Arbeitsplätzen in der Bekleidungsindustrie gekommen.
Beim Buwal hingegen ortet man «keinen Handlungsbedarf». Aus Sicht des Umweltschutzes bestehe kein Anlass, den Altkleider-Export einzuschränken. Und was die Konkurrenzproblematik betrifft, verweist das Amt auf eine von Texaid veranlasste Studie zu Ghana und Tunesien. Danach könne in keinem der beiden Länder «ein Kausalzusammenhang zwischen dem hohen Stellenwert des Alttextilsektors und der Entwicklung der lokalen Textilindustrie bestätigt werden».
Sorgfältig entsorgen
Gebrauchte Kleider und Schuhe sollten der Umwelt zuliebe nicht wie Wegwerfartikel behandelt werden. Aber nicht jedes Stück Stoff, das man nicht mehr braucht, ist im Altkleidersack oder -container am richtigen Platz.
- In die Sammlung gehören nur: saubere, tragbare Kleider und Unterwäsche; Tisch-, Bett- und Haushaltwäsche; Strickwaren; Hüte, Mützen, Gürtel und Taschen; noch tragbare, paarweise zusammengebundene Schuhe.
- Nicht in die Sammlung gehören: defekte oder verschmutzte Textilien; Textilabfälle und Schnittreste; Nylonstrümpfe; Matratzen, Polster, Teppiche und Dämmstoffe; Ski- und Schlittschuhe, Inlineskates und Gummistiefel.
Übrigens: Wind- und wasserdichte sowie atmungsaktive Sport- und Freizeitkleider gelten nicht als Sondermüll. Sie gehören aber auch nicht in den Hausmüll, sondern in die Altkleidersammlung, sofern sie nicht defekt sind.