«Ich habe meinen Vermögensverwalter bei der Bank auf die mir geschuldeten Retrozessionen angesprochen. Er sagte mir, der neue Bundesgerichtsentscheid habe aktuell noch keinen Einfluss und betreffe nur einen einzelnen UBS-Kunden. Stimmt das?»
Nein. Der Bundesgerichtsentscheid ist bereits heute für alle Bankkunden mit Vermögensverwaltungs- und Anlageberatungsverträgen wegweisend. Es ist auch nicht der erste Entscheid des Bundesgerichts in dieser Frage. Schon im Jahr 2006 sagte es klipp und klar, dass die von den Vermögensverwaltern kassierten Rückvergütungen den Kunden gehören. Damals behaupteten die Banken, das gelte nur für bankenexterne Vermögensverwalter. Dem hat das Bundesgericht im neuesten Entscheid widersprochen.
«Ich habe den Musterbrief von saldo der Bank geschickt. Sie antwortete, ich hätte keinen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen und deshalb keinen Anspruch auf Rückvergütungen. Ich habe die Fonds aber alle auf Empfehlung meines Bankberaters gekauft. Was gilt jetzt?»
Das neue Urteil betrifft einen UBS-Kunden mit Vermögensverwaltungsvertrag. Die Argumente des Bundesgerichts gelten jedoch auch für Anlageberatungsverträge. Zudem hat beispielsweise auch das Zürcher Handelsgericht schon im Mai 2011 die Credit Suisse in zwei Urteilen verpflichtet, Kunden mit Anlageberatungsverträgen über erhaltene Rückvergütungen Auskunft zu geben. Das Bundesgericht hat nun klargestellt, dass diese Rückvergütungen den Kunden zustehen.
«Ich lasse mein Geld vom VZ Vermögenszentrum verwalten. Habe ich auch Anspruch auf Rückvergütungen?»
Nein. Das VZ Vermögenszentrum erhält laut den Allgemeinen Geschäftsbedingungen 2006 keine Retrozessionen, sondern einen Rabatt. Diesen handelt das VZ mit den Finanzprodukteverkäufern aus. Dieser Rabatt ist in den Geschäftsbedingungen näher beziffert und wird von der Vermögensverwaltungsgebühr abgezogen und somit den Kunden weitergegeben. Eine solche Lösung ist transparent. Der Verzicht des Kunden auf Rückvergütungen ist daher gültig.
«Meine Bank hat auf mein Schreiben geantwortet, es handle sich in meinem Fall nicht um einen Anlageberatungsauftrag, sondern um eine ‹Execution-only-Geschäftsbeziehung›. Deshalb hätte ich keinen Anspruch. Was heisst das für mich?»
Von «Execution-only-Geschäften» spricht man, wenn ein Kunde die Kaufentscheide selbst fällt und die Bank bloss seine Kaufaufträge ausführt. Das ist bei professionellen Anlegern häufig der Fall. Zwischen nicht erfahrenen Kunden und der Bank findet in der Realität jedoch eine Beratung durch einen Bankangestellten statt. Dann handelt es sich um Anlageberatung und die Bank müsste die gestützt auf die Anlagen erhaltenen Rückvergütungen offenlegen.
«Ich habe mein Wertschriftenkonto bei der Bank letztes Jahr aufgelöst. Habe ich trotzdem rückwirkend noch Anspruch auf die von der Bank kassierten Rückvergütungen bis zur Auflösung des Kontos?»
Ja. Vertragliche Ansprüche verjähren grundsätzlich erst nach zehn Jahren. Einzelne Bankenjuristen behaupten zwar, die Frist betrage fünf Jahre. Halten Sie an zehn Jahren fest.
«Müssen auch Banken mit Sitz im Fürstentum Liechtenstein Retrozessionen weitergeben oder hat der Gerichtsentscheid hier keinen Einfluss?»
Für Banken mit Sitz im Ausland sind die dort geltenden Gesetze massgebend. Das Fürstentum Liechtenstein ist ein eigener Staat mit eigenen Gesetzen und Gerichten. Das Schweizer Bundesgerichtsurteil ist insofern auch für Liechtensteiner Verträge von Bedeutung, als durchaus die Möglichkeit besteht, dass der Schweizer Entscheid den dortigen Richtern einleuchtet und sie gleich entscheiden, wenn ein Kunde gegen eine Bank klagt.
«Ich habe bei der Bank seit 2008 ein Wertschriftenkonto im Rahmen der dritten Säule. Das Geld wird unter anderem in Fonds investiert. Kann ich Retrozessionen einfordern?»
Ja, denn die Bank entscheidet in Ihrem Auftrag, welche Papiere sie mit Ihrem Geld kauft.
«Mein Geld habe ich im Rahmen einer Anlageberatung bei Postfinance in Fonds investieren lassen. Postfinance erhält erst auf Anfang 2013 eine Banklizenz. Kann ich trotzdem Retrozessionen einfordern?»
Ja. Auch die Postfinance als Geschäftszweig der staatlichen Post muss ihren Kunden das Geld auszahlen, das sie im Rahmen ihrer Anlageberatung an Rückvergütungen erhalten hat. Es gilt wie bei Banken das Auftragsrecht.
«Ich habe bei meiner Hausbank Kassenobligationen gekauft. Fliessen dabei Vergütungen, auf die ich Anspruch erheben kann?»
Nein. Beim Kauf von Kassenobligationen werden keine Vergütungen an die Banken ausgerichtet, also können sie auch nichts an die Kunden weitergeben.
«Nach einem Gespräch mit meinem UBS-Berater habe ich entschieden, in welche Fonds ich mein Geld investieren will. Leider habe ich keine Aufzeichnungen über die Beratung. Habe ich dennoch Anspruch?»
Ja. Behauptet die Bank aber, sie habe Sie nicht beraten, müssen Sie als Kunde das Gegenteil beweisen können. Als Beweis kommen Zeugenaussagen in Frage oder von der Bank ausgehändigtes Infomaterial. In der Schweiz gibt es im Gegensatz zur EU keine Pflicht der Banken, bei Anlageberatungen ein schriftliches Protokoll zu führen.
«Ich habe die UBS regelmässig damit beauftragt, verschiedene Wertpapiere für mich zu kaufen – vor allem Aktien. Schuldet mir die UBS Vergütungen?»
Nein. Beim Kauf von Aktien fliessen normalerweise keine Rückvergütungen. Zudem hat die Bank lediglich Ihre Kaufanweisungen ausgeführt – ohne vorgängige Beratung.
«Ich habe auf Rat der Credit Suisse 15 000 Franken in einen CS Portfolio Fund (Lux) Balanced (SFR) B investiert. Die Bank hat mir bereits mitgeteilt, sie wolle nicht zahlen. Lohnt es sich, die CS zu verklagen?»
Nein, denn dieser Fonds ist ein Produkt der CS. Die CS kann an sich selbst keine Vergütungen zahlen. Anders wäre es, wenn die CS zum Kauf von Fonds einer ihrer Tochtergesellschaften geraten hätte: Dann fliessen Kickbacks, und auch diese gehören den Kunden.
Musterbrief: So fordern Sie die Ihnen zustehenden Vergütungen ein
Hier finden Sie einen Musterbrief, wie Sie die Banken auffordern können, Ihnen die Kickbacks zurückzuzahlen: www.saldo.ch.
Buchtipp: So legen Sie Ihr Geld richtig an
Dieser Ratgeber beantwortet alle wichtigen Fragen, die sich heute zum Thema Geldanlage stellen. Aus dem Inhalt:
- Die richtige Anlagestrategie: Das A und O für den Anlageerfolg
- Konten, Festgelder, Kassenobligationen: So parkieren Sie Ihr Geld sicher
- Börse: Das müssen Sie über Chancen und Risiken wissen
- Nachhaltigkeit: So investieren Sie mit gutem Gewissen
- Strukturierte Produkte: Das sind die Tücken
- Steuerdschungel: So behalten Sie den Überblick
- Vermögensverwaltung: So werden Sie nicht über den Tisch gezogen.
Alles, was Anleger wissen müssen, findet man im «K-Tipp»-Ratgeber «Geld anlegen – gut und sicher» (1. Auflage, 212 Seiten, Fr. 27.–). Zu bestellen auf www.saldo.ch.