Für die Traumferien in Sansibar stimmte alles: Viersterne-Hotel mit allem Komfort, Blick auf den Indischen Ozean, sympathische Gäste: «Ich war an einem der schönsten Orte der Welt», sagt PZ (Name der Redaktion bekannt).
Und doch fühlte sie sich elend, müde, lethargisch. «Am liebsten hätte ich mich in ein Erdloch verkrochen. Alles wirkte auf mich zutiefst deprimierend - ohne ersichtlichen Grund.» Zudem schwollen ihre Beine an, wurden schwer, und ihr war ständig übel. «Ich konnte kaum etwas essen. Trotzdem nahm ich in den zwei Wochen fünf Kilo zu», sagt PZ.
Die gebürtige Engländerin war damals 39 Jahre alt und wohnte seit zehn Jahren in Rickenbach SG. Vor und während der Ferien hatte sie Mephaquin geschluckt. Das Malaria-Medikament ist ein Generikum des Roche-Medikaments Lariam. Das Malariamittel ist bekannt dafür, dass es heftige psychische Nebenwirkungen auslösen kann. Die Fachinformation warnt: «Bei Patienten mit psychischen Störungen sollte Mephaquin nicht angewendet werden.»
Panikattacken, Depressionen - und Nervenzusammenbruch
Auch PZ hätte das Malariamittel nicht bekommen dürfen, denn sie litt früher an Depressionen. Ein St. Galler Tropenmediziner hatte ihr das Medikament dennoch verschrieben. Z: «Ich habe ihm gesagt, dass ich früher unter Depressionen litt, aber er hat nicht zugehört.» Heute weiss sie: Die starken Beschwerden sind Nebenwirkungen des Medikaments.
Ihr Tropenarzt schreibt dem Gesundheitstipp, die Patientin habe ihm gegenüber «keine früheren psychischen Krankheiten oder Behandlungen erwähnt».
PZ nahm die Pillen wie vorgeschrieben ein - insgesamt zwei Monate lang. Bereits fünf Tage nach ihrer Heimkehr ging sie zur Hausärztin: «Meine Beine blieben geschwollen. Ich war chronisch müde, deprimiert und hatte Mühe, mich zu konzentrieren.» Die Ärztin schickte sie erneut zum Tropenarzt. Z: «Er untersuchte mich und wurde plötzlich sehr still.» Doch er riet ihr nicht, Mephaquin abzusetzen, gab auch keine Erklärung ab.
Zwei Wochen danach lief die Mephaquin-Behandlung aus. Die Beschwerden blieben: Panikattacken, Schlaflosigkeit, Depressionsschübe. Zwei Jahre später kommt es noch schlimmer: Nervenzusammenbruch. Ein Psychiater stellt fest, dass PZ an einem psychischen Trauma leidet - eine verzögerte Reaktion auf die Nebenwirkungen von Mephaquin.
Erst nach zwei Jahren erfährt sie die Ursache ihrer Leiden
Bekannte empfehlen Z einen Spezialisten in England - und erst von ihm erfährt sie den Grund für ihre Beschwerden. Sie erinnert sich: «Er schaute meine Krankengeschichte an, und noch bevor er mit mir ein Wort gewechselt hatte, sagte er: “Dafür ist Mephaquin verantwortlich.” Als Arzt der Royal Air Force hatte er zahlreiche Soldaten behandelt, die Lariam bekommen hatten und dann an ähnlichen Symptomen litten.
«Zuerst wollte ich es nicht glauben», erzählt PZ. «Es waren ja schon über zwei Jahre vergangen, seit ich Mephaquin genommen hatte.» Doch das Medikament bleibt sehr lange im Körper - und kann bleibende psychische Krankheiten auslösen.
Dies bestätigt auch Ashley Croft. Der britische Arzt ist einer der besten Lariam-Kenner weltweit. In einem Gutachten über PZ kommt er zum Schluss: «Die Einnahme von Mephaquin hat ihre physische und psychische Gesundheit dauerhaft geschädigt.»
Heute, sieben Jahre nach Sansibar, kämpft Z noch immer mit den Langzeitfolgen des Malaria-Medikaments: «Ich bin nicht mehr der gleiche Mensch.» Einmal ist sie hyperaktiv, dann wieder lethargisch. Manchmal hat sie gute Tage und packt viel an - zu viel. «Dann stürzt mein System ab, wie bei einem Computer.» Panikattacken, Selbstmordgedanken. «Hätte ich in solchen Momenten eine Pistole gehabt, wäre ich nicht mehr da», sagt sie.
Arbeiten kann Z nicht mehr, seit dreieinhalb Jahren bekommt sie eine IV-Rente. Das Schlimmste sei, nie zu wissen, wie viel sie leisten könne, bevor es zu viel sei: «Ich muss sehr oft eine Verabredung absagen, weil es einfach nicht geht.» Viele Bekannte verstehen das nicht.
Experte: Lariam käme heute nicht mehr auf den Markt
Wenn PZ über Lariam spricht, packt sie der Zorn: «Weshalb wurde dieses gefährliche Medikament überhaupt zugelassen?», fragt sie mit bebender Stimme.
Diese Frage stellen sich unterdessen auch Experten. Lariam hat seine Ursprünge im Vietnamkrieg. Damals erkrankten jeden Tag Tausende US-Soldaten an Malaria. Deshalb startete die US-Armee ein gigantisches Forschungsprogramm. Unter der Viertelmillion getesteter Substanzen war auch Lariam. Die Armee verkaufte die Rechte am Medikament dem Schweizer Pharma-Unternehmen Roche. 1984 kam Lariam auf den Markt.
Heute würde Lariam nicht mehr zugelassen, ist Experte Ashley Croft überzeugt. Kürzlich wies er nach: Vor der Zulassung wurde Lariam fast nur an Einheimischen getestet, die an Malariaerreger gewöhnt sind - nicht aber an Touristen. Die Behörden drückten ein Auge zu. Dies sei «verantwortungslos», so Croft.
Erst mehrere Jahre nach der Zulassung machte Roche Studien mit Touristen. Die Ergebnisse waren niederschmetternd. Eine Studie kam zum Schluss: Über drei Viertel bekamen Probleme mit den Nerven oder der Psyche. Die meisten waren harmlos, etwa Kopfschmerzen oder schlechte Träume. Einige Teilnehmer litten aber auch an Depressionen oder Panikattacken.
Laut Rudolf Stoller von der Schweizer Zulassungsstelle Swissmedic war Lariam damals eine «wichtige Alternative» gegen Malaria. «In der Zwischenzeit», so Stoller, «sind die Anforderungen an die Zulassung eines Medikamentes aber tatsächlich höher geworden.»
Crofts Fazit: «De facto sind alle Reisenden, die Lariam erhalten haben, Teilnehmer an einem Experiment - ohne es zu wissen.» Für einige endete es mit dem Tod - bisher sind 19 Fälle dokumentiert. Einer davon ist der 33-jährige Holländer, dessen Schicksal die Zeitschrift «Arznei-Telegramm» beschreibt: In Madagaskar verspürt er erste Anzeichen von Malaria und nimmt zwei Tabletten Lariam. Das wirft ihn völlig aus dem Gleis. Er leidet an Angstzuständen, Depressionen und Verwirrung. Drei Tage später ist er tot: Er hat sich mit einem Taschenmesser die Kehle durchgeschnitten.
Kritiker vermuten: Lariam löste Selbstmordwelle aus
Roche-Sprecherin Martina Rupp schreibt zu den Vorwürfen nur:
«Lariam wurde bisher von über 30 Millionen Menschen weltweit erfolgreich angewendet. Auch die WHO empfiehlt es als Medikament der ersten Wahl.»
Die Mephaquin-Herstellerin Mepha schiebt die Schuld dem Tropenarzt von Z zu. Er hätte der Britin «Mephaquin nicht verschreiben dürfen». Und solche Nebenwirkungen kämen auch bei anderen Malaria-Medikamenten vor. «Wir bedauern es sehr», so Mepha-Chef Andreas Bosshard, «wenn unser Medikament zu Nebenwirkungen führt. Der Nutzen überwiegt jedoch die Risiken bei Weitem.»
Lariam-Kritiker sehen das anders. Die Organisation «Lariam Action USA» vermutet, dass eine Selbstmordwelle unter den Truppen im Irak auf das Konto von Lariam geht: Im Jahr 2003 nahmen sich mindestens 25 Soldaten das Leben. Die Armee stoppte die Lariam-Abgabe weitgehend - die Selbstmordrate sank um mehr als die Hälfte.
Croft, selbst Oberstleutnant, rät Ärzten davon ab, Lariam zu verschreiben: «Bis geklärt ist, ob Lariam genügend verträglich ist, wäre es verfrüht, es Reisenden zu empfehlen.»
So schützen Sie sich vor Malaria
Malaria ist sehr gefährlich. Vor allem in Afrika sowie in kleinen Teilen Indiens, Südamerikas und Südostasiens müssen Reisende mit Medikamenten vorbeugen (siehe Karte im pdf-Artikel). In anderen tropischen Gebieten sollten Sie ein Notfall-Medikament mitnehmen.
Alternativen zu Lariam
Klären Sie mit Ihrem Arzt sorgfältig ab, ob Lariam für Sie geeignet ist. Es gibt Alternativen:
- Doxycyclin: ca. Fr. 45.- bei einer zweiwöchigen Reise. Nachteil: Kann Sonnenallergie auslösen.
- Malarone: ca. Fr. 125.-. Nachteile: Muss nicht jede Woche, sondern täglich eingenommen werden, teuer.
So sorgen Sie vor
- Gehen Sie einige Wochen vor der Reise zum Reisemediziner oder in ein Tropeninstitut.
- Testen Sie in Absprache mit dem Arzt verschiedene Medikamente.
- Nehmen Sie Insektensprays für Haut, Raumluft und Kleider mit.
Während der Reise
- Tragen Sie lange Hosen und Hemden.
- Verwenden Sie ein Moskitonetz.
- Sprühen Sie Schlafraum, Bad, Kleider, Moskitonetz sowie mehrmals am Tag den Körper mit Insektenspray ein.
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