Die Schweizer Armee darf von 2009 bis 2011 insgesamt 12,3 Milliarden Franken ausgeben – rund 4,1 Milliarden pro Jahr. Der Bundesrat wollte diesen Betrag für die kommenden Jahre auf 4,4 Milliarden aufstocken. Neue Kampfflugzeuge befand die Landesregierung nicht vor 2015 für nötig.
Doch das Parlament will mehr: 22 neue Kampfjets sollen umgehend beschafft und das Armeebudget auf jährlich 5 Milliarden Franken erhöht werden.
Ob 4,4 oder 5 Milliarden – das ist nur ein Teil des realen Aufwands für die Armee. Es gibt nämlich zahlreiche Ausgaben, die unter anderen Budgetposten erscheinen:
- Militärversicherung: Ausserhalb des Armeebudgets fallen die Aufwendungen für die Militärversicherung an. Sie sind bei den Bundesbeiträgen an die Sozialversicherungen aufgeführt. Jährliche Kosten: rund 200 Millionen Franken.
- Schuldzinsen: Im Militärbudget fehlen die Zinsen, die auf den Schulden bezahlt werden müssen. 2010 zahlte die Bundeskasse insgesamt fast 3 Milliarden Franken Zinsen. Wie hoch der Anteil der Armee ist, wird zwar nicht aufgeschlüsselt. Eine plausible Zuordnung orientiert sich an den 6,7 Prozent Anteil, den die Armee am Bundeshaushalt hat. Jährliche Kosten: rund 200 Millionen Franken.
- Personalkosten: Der happigste Posten ausserhalb der ausgewiesenen Ausgaben sind die Personalkosten der Milizsoldaten und -offiziere. Abgebucht werden sie über die Erwerbsersatzordnung (EO) und finanziert durch Beiträge der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. EO-Zahlungen für 2010: 876 Millionen Franken.
- Kantonale Ausgaben: Dazu kommen Ausgaben, welche Kantone und Gemeinde tätigen – für Einrichtungen wie die kantonalen Militärdirektionen oder die Sektionsbüros. Jährliche Kosten: rund 100 Millionen Franken.
Addiert man all diese Ausgaben zum heutigen jährlichen Armeebudget von 4,1 Milliarden Franken, kommt man auf reale ausgewiesene Armeekosten von rund 5,5 Milliarden Franken.
Bei Vollkostenrechnung schlägt die Armee mit 9 Milliarden zu Buche
Nur: Die offizielle Rechnung widerspiegelt längst nicht die vollen Kosten.
Beispiel Erwerbsersatzordnung: Sie entrichtet pro Diensttag durchschnittlich 136 Franken. Dabei ist ein Tag eines Erwerbstätigen wirtschaftlich bedeutend mehr wert. An jedem Tag, an dem die Wehrpflichtigen Dienst leisten, können sie ihrer zivilen, produktiven Tätigkeit nicht nachgehen.
Wie viel entgeht der Volkswirtschaft dadurch? Das Schweizer Bruttoinlandprodukt beträgt pro durchschnittlichem 8,5-Stunden- Arbeitstag 600 Franken. Multipliziert mit den jährlich 6,4 Millionen Diensttagen resultiert ein Produktionsausfall von 3,9 Milliarden Franken. Wer wissen will, wie viel die Armee tatsächlich kostet, muss diesen Betrag in die Rechnung aufnehmen. Dafür fallen Militärversicherung und EO weg. Netto verbleibt dann ein Produktionsausfall von 2,8 Milliarden Franken.
Beispiel militärische Liegenschaften: Die Armee nutzt Land und Gebäude, ohne einen Marktpreis zu bezahlen. Die Frage ist hier, wie hoch der Erlös wäre, wenn der Bund die militärischen Liegenschaften wirtschaftlich nutzen würde. Der Freiburger Wirtschaftsprofessor Reiner Eichenberger nimmt als Ausgangspunkt für eine Schätzung den offiziellen Neuwert der Liegenschaften: 22 Milliarden Franken. Und kommt auf 600 Millionen bis 1 Milliarde, die man der Armee jährlich für die Nutzung anlasten müsste.
Richtig gerechnet schlägt die Armee somit mit rund 9 Milliarden Franken zu Buche. Eichenberger: «Die Armeediskussion verliefe vermutlich anders, wenn die Politiker diese Vollkostenrechnung machen würden.»
Alt-Brigadier Hans-Ulrich Ernst vertritt die Meinung, dass eine kleinere Armee günstiger und leistungsfähiger wäre. Er hinterfragt den Sinn von heute über 174 000 WK-Soldaten, die 49 Wochen im Jahr zu Hause weilen, während 8500 VBS-Angestellte mit einer Lohnsumme von 1 Milliarde Franken ihre Ausrüstung instand halten. Laut Ernst könnte eine aktive Armee von 30 000 Personen zu Lande und in der Luft die Sicherheit der Schweiz vollauf gewährleisten – mit weniger Milizsoldaten, dafür mehr Durchdienern. Ernst muss es wissen: Er war unter vier Bundesräten Generalsekretär im Eidgenössischen Militärdepartment.
Ein Vergleich mit andern Ländern zeigt, dass Ernst mit seinen Überlegungen nicht allein ist: Er verweist auf Schweden mit 10 100, Finnland mit 15 950 und Österreich mit 25 900 aktiven Soldaten. Finnland hält er für besonders interessant: Es habe eine ähnlich grosse wehrpflichtige Bevölkerung und ein vergleichbares Rekrutenkontingent wie die Schweiz, sei auch neutral und kein Mitglied der Nato. Dabei sei seine Landesfläche neunmal grösser, und es habe eine 1324 Kilometer lange gemeinsame Grenze mit Russland.
Für den Polizeidienst in der Luft braucht es keine neuen Kampfjets
Ernst beziffert das Sparpotenzial seines Vorschlags: «Aus einem Minderbedarf an vollamtlichem Personal resultiert ein Abbau von 1000 Stellen, was zusammen mit rund 1 Million weniger Diensttagen zu einer Einsparung von fast 400 Millionen Franken im Jahr führen würde.» Notabene: In dieser Rechnung sind die Einsparungen bei den versteckten Kosten der Diensttage nicht berücksichtigt.
Neue Kampfjets hält Ernst auf viele Jahre hinaus für unnötig. Aufgabe der Luftwaffe sei heute nicht die Verteidigung in einer Luft- und Panzerschlacht, sondern der Luftpolizeidienst. Österreich mit einem dreimal grösseren Luftraum als die Schweiz erfüllt diese Aufgabe mit 15 Eurofightern. Zum Vergleich: Die Schweizer Armee besitzt heute 54 Tiger- und 33 F/A-18-Kampfjets.