Massenware aus Milch von unglücklichen Kühen
Der beliebteste Reibkäse der Schweizer stösst sauer auf: Die Milch für den Extrahartkäse Grana Padano stammt von Kühen, die ein trauriges Dasein fristen.
Inhalt
saldo 14/2003
10.09.2003
Bennie Koprio
Verdreckte Kühe, die 365 Tage im Jahr angekettet in einem Stall stehen. Ihr Lebensinhalt: Aufstehen, fressen, sich hinlegen, wiederkäuen - und Milch geben für die Herstellung des berühmten Grana Padano aus der Lombardei.
Dem Nachwuchs der Kühe geht es nicht besser: Die Milchbauern verkaufen die männlichen Kälbchen im Alter von 10 bis 15 Tagen. In spezialisierten Mastbetrieben erhalten die Tiere dann bis zur Schlachtung eine eisen-arme Nährflüssigkeit, damit sie das in Nor...
Verdreckte Kühe, die 365 Tage im Jahr angekettet in einem Stall stehen. Ihr Lebensinhalt: Aufstehen, fressen, sich hinlegen, wiederkäuen - und Milch geben für die Herstellung des berühmten Grana Padano aus der Lombardei.
Dem Nachwuchs der Kühe geht es nicht besser: Die Milchbauern verkaufen die männlichen Kälbchen im Alter von 10 bis 15 Tagen. In spezialisierten Mastbetrieben erhalten die Tiere dann bis zur Schlachtung eine eisen-arme Nährflüssigkeit, damit sie das in Norditalien so beliebte weisse Kalbfleisch Vitello Bianco liefern. Die Kälbchen leiden unter Blutarmut, leben auf kahlen Vollspaltenböden aus Beton. Sie sind verhaltensgestört, besaugen sich gegenseitig und haben oft Durchfall.
Grana Padano verdrängt den Schweizer Sbrinz
«Mit wenigen nicht repräsentativen und unbedeutenden Beispielen versucht man, den Grana Padano in den Dreck zu ziehen», verteidigt sich das Consorzio Grana Padano. Für Marianne Staub vom Schweizerischen Tierschutz STS ist hingegen klar: Die Tierhaltung, wie sie Tierfilmer Marc Rissi im Auftrag des STS dokumentiert hat, ist schlicht ein Skandal: «Bis heute ahnt wohl niemand, dass er das Leid der Tiere fördert, wenn er Grana Padano-Reibkäse auf seine Spaghetti streut.»
Wie einige Milchlieferanten im Erzeugungsgebiet des beliebtesten Schweizer Importkäses ihre Tiere halten, ist hierzulande verboten. Schweizer Kühe sind im Sommer draussen auf der Weide und haben auch im Winter Anrecht auf 30 Tage Auslauf.
Die Beispiele aus Italien machen laut STS deutlich, wie large ausländische Tierschutzvorschriften noch immer sind. Marianne Staub: «Fortschrittliche Schweizer Bauern, die dem Tierwohl Beachtung schenken, werden dadurch unfair konkurrenziert.»
Das ist Musik in den Ohren der Schweizer Käsehersteller, allen voran der Produzenten des Sbrinz. Dieser ist wie der Grana Padano ein Extrahartkäse und wird von seinem Konkurrenten aus dem Süden seit Jahren arg bedrängt. So vertilgten Herr und Frau Schweizer im Jahr 2002 rund 6000 Tonnen Extrahartkäse aus Italien; der einheimische Sbrinz brachte es nur auf rund 1300 Tonnen.
Das war nicht immer so. «Vor 20 Jahren belief sich der Konsum von Sbrinz auf 6000 Tonnen», erklärt Petra Tobler-Arnold, Marketingverantwortliche der Sbrinz Käse GmbH. Dass die italienische Konkurrenz den Schweizer Extraharten derart ins Abseits gedrängt hat, schmerzt die Käsebranche nach einem Blick in die Vergangenheit doppelt: Sbrinz gilt nicht nur als der älteste Käse Europas und wird bereits in Quellen aus dem 7. Jahrhundert erwähnt; er war einst auch der Exportschlager der Innerschweiz schlechthin. Auf langen Säumerpfaden brachten die Schweizer Tausende von Käselaiben auf der sogenannten Sbrinz-Route via Brünig, Grimsel und Griespass oder durchs Engelbergtal über den Jochpass nach Italien. Später transportierte die Gotthardbahn das kostbare Gut.
Nur Parmiggiano Reggiano ist echter Parmesan
«Der Handel blühte bis zum Ersten Weltkrieg», so Sbrinz-Sprecherin Tobler-Arnold. Doch dann verfügte die damalige Schweizer Regierung einen Exportstopp für Schweizer Käse, zudem eroberte die italienische Küche die Schweiz - der Sbrinz geriet immer weiter ins Abseits. Ob für Pasta, Pesto, Risotto oder Apéro: Wer Extrahartkäse benötigt, kauft seit Jahren vowiegend italienischen Parmesan.
Doch nicht alles, was als Parmesan verkauft wird, ist auch Parmesan. Das war bis vor kurzem aber nur den wenigsten bewusst. Bis der Europäische Gerichtshof vor einem Jahr entschied: Nur der Parmigiano Reggiano - seit 1996 als geschützte Ursprungsbezeichnung eingetragen - darf als Parmesan verkauft werden.
Das Argument aus deutschsprachigen Landen, die Ursprungsbezeichnung gelte nur für «Parmigiano Reggiano» und nicht auch noch für den simplen Markennamen «Parmesan», liessen die EU-Richter nicht gelten: «Parmesan» sei nichts anderes als eine Übersetzung des italienischen «Parmigiano» und sei deshalb ebenfalls geschützt.
Die Schweiz hat die Regelung übernommen. Die Gourmet freut es zu wissen, welcher Käse ihnen tatsächlich aufgetischt wird. Denn zwischen den verschiedenen Extrahartkäsesorten gibt es preislich wie geschmacklich grosse Unterschiede (siehe Kasten). Mit einem Kilopreis von 30 Franken ist der Parmigiano Reggiano der teuerste. Der einzig echte Parmesan kommt aus den Provinzen Parma, Reggio Emilia und Modena. Der dreiviertelfette Extrahartkäse wird aus Rohmilch hergestellt und mindestens zwölf Monate gelagert.
Der schweizerische Sbrinz ist von der Herstellung her mit dem Parmesan zu vergleichen: Auch er wird aus Rohmilch hergestellt und mindestens 18 Monate gelagert. «Gemäss den DOC-Bestimmungen dürfen Sbrinz-Hersteller weder pasteurisierte Milch noch Zusatzstoffe verwenden», erklärt Roland Sahli, Geschäftsführer der Käseorganisation Kos. Der Vollfettkäse Sbrinz ist mit einem Kilopreis von 20 Franken aber günstiger als der Parmesan.
Grana Padano wird mit Zusatzstoffen hergestellt
Ungefähr gleich viel wie Sbrinz kostet der Grana Padano, die Herstellung ist jedoch deutlich anders. Grana Padano wird meist industriell aus pasteurisierter Milch fabriziert. Die Käser verwenden dabei Lysozym. Dieser Zusatzstoff erlaubt, auch Milch minderer Qualität zu verkäsen - Milch eben, die von Kühen stammt, die im Stall angebunden Silofutter fressen und nie eine Weide zu Gesicht bekommen.
Reibkäse aus dem Beutel schmeckt muffig
Gruusig!» Dieses Urteil von Gastrokritiker Michael Merz trifft alle Reibkäsesorten - aber nur, sofern der Kunde sie bereits gerieben im Beutel kauft. Denn die Aromen oxidieren und verfliegen beim Reiben oder Brechen. Die Folge: ein muffiger Geschmack. Drum lautet die wichtigste Regel: Den Käse frisch am Tisch über die Speise reiben. Ausserdem: Käse möglichst im Offenverkauf frisch vom Stock kaufen. Die Vakuum-Verpackung aus Plastik erstickt den Geschmack.
Zu den einzelnen Käsesorten: Am wenigsten Raffinesse spricht Michael Merz dem Grana Padano zu. «Er hat eine etwas bittere Ecke», hält der Gastrokritiker fest.
Um einiges besser mundet ihm der Parmigiano Reggiano: «Er hat eine zentrale Süsse, eine Fruchtigkeit.» Zusammen mit der speziellen Salzigkeit des Extrahartkäses eine gute Kombination. Merz empfiehlt ihn deshalb als Apéro- oder Dessertkäse.
Noch besser schmeckt Merz aber der gut gelagerte Sbrinz: «Er hat eine Frische, Richtung Zitrone. Er ist blumiger, cremiger, delikater.» Sbrinz eignet sich als Apérokäse; aber auch zum Würzen nehme man am besten den Schweizer Extrahartkäse. Merz: «Absolut sensationell ist Sbrinz frisch gerieben auf frischen Teigwaren.»