Fast zwei Drittel der  SBB-Bahnhöfe haben keinen Schalter mehr. Die SBB bestreiten nicht, dass in den nächsten Jahren weitere Bahnhöfe folgen werden. Wo es noch Bahnpersonal gibt, werden die Öffnungszeiten oft beschnitten. Jüngstes Beispiel sind Emmen­brücke LU und Uznach SG: Neu bleiben die Schalter an Sonntagen zu.

Von diesem Service­abbau besonders betroffen ist der stark vom Tourismus abhängige Kanton Tessin: Aktuell gibt es ­gerade noch sechs durch SBB-Angestellte bediente Bahnhöfe. Zwei werden von Privaten betrieben. In ­Airolo zum Beispiel sind die Tickets im Tourismusbüro erhältlich. Trotzdem schränken die SBB die Öffnungszeiten an diesen Bahnhöfen weiter ein.


Beispiel Locarno

Von November bis März ist der Schalter sonntags geschlossen. Wer ein Billett benötigt, muss den Automaten benützen – oder ins 20 Kilometer entfernte Bellin­zona fahren (siehe Bild). Und internationale Tickets kann man am Automaten in Locarno nicht lösen.

Gross ist der Ärger über diese Einschränkung auch bei den Hoteliers von ­Locarno und Ascona. In Locarno sind 56 der 160 Hotels auch im Winter geöffnet. Roland Mattmann vom «Belvedere» sagt: «Dieser Service-Abbau ist schädlich.» Denn immer mehr Gäste würden mit dem Zug anreisen. Das Gepäck könnten sie sonntags aber weder aufgeben noch abholen. Der Verkehrsverein in Locarno ist wegen der Schalterschliessung mehrmals an die SBB gelangt – ohne Erfolg.


Beispiel Bellinzona

Seit Anfang Jahr öffnet der Schalter in der Tessiner Hauptstadt erst um 7 Uhr (vorher 6.20 Uhr). Internationale Tickets, etwa für den Zug um 7.07 Uhr nach Genua, kann man jedoch nur am Schalter lösen. «Die kurze Zeit reicht nicht, wenn mehrere Leute ein solches Billett verlangen», bestätigt ein SBB-Angestellter dem K-Tipp. Auch Schneesportler müssen später abreisen. Denn Kombi-Angebote für die Skigebiete sind ebenfalls nur am Schalter erhältlich.

Das Tessiner Bahnpersonal will dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen. Mitte April wird eine Delegation bei den SBB in Bern eine Petition einreichen. Gefordert wird ein Ende der «Einschränkungen bei den Öffnungszeiten». Der Grossteil des Tessiner Zug- und Schalterpersonals habe unterschrieben, versichert Angelo Stroppini von der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV).

SBB-Sprecher Alessandro Malfanti sagt zu den Vorwürfen: «Die neuen Öffnungszeiten im Tessin erlauben, die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen besser zu nutzen.» Auf gut Deutsch dürfte das bedeuten: Nur noch Per­sonal einsetzen, wenn es nicht anders geht. Malfanti betont aber, dass zumindest in Locarno bis im Oktober die Öffnungszeiten von Montag bis Samstag erweitert würden.


Weisung der SBB: «Möglichst viele Kunden an den Automaten schicken»

An der Kasse von Grossver­teilern wie Migros und Coop müssen Kunden selten längere Zeit warten. Anders bei den SBB. Bei langen Warteschlangen wird nicht immer ein zusätzlicher Schalter geöffnet.

Grund für das Vorgehen der SBB: Die Reisenden sollen ihre Tickets an den Automaten lösen – so wollen es die SBB-Verantwortlichen. Damit Angestellte die Anordnung befolgen, ist die sogenannte «Selbstbediener-Quote» Teil der Personalbeurteilung. Das heisst: Das Personal soll möglichst keine Kunden am Schalter bedienen oder beraten. Ein SBB-Schalter­angestellter bestätigt dem K-Tipp: «Wir sind gehalten, mit möglichst vielen Kunden zum Automaten zu gehen, um ihnen den Apparat zu erklären.»

Elisabeth Jacchini, bei der Gewerkschaft SEV zuständig fürs SBB-Betriebs- und -Verkaufspersonal, sagt, die Angestellten befolgten diese Weisung nur ungern: «Dadurch müssten sie ja am eigenen Ast sägen.» Je mehr Kunden Tickets am Automaten oder im ­Internet lösten, desto kleiner werde der Umsatz am Schalter. Folge: Personalabbau.

Laut SBB-Sprecher Alessandro Malfanti werden Reisende nur dann zu den Automaten geschickt, wenn es dort schneller geht als am Schalter.


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Mit der Volksinitiative «Pro Service public» wollen ­der K-Tipp und «Saldo» dafür sorgen, dass Bundes­betriebe wie SBB, Post und Swisscom nicht Gewinn erwirtschaften, sondern den Bürgern einen guten und bezahlbaren Service bieten.

Unterschriftenbogen können Sie bestellen: K-Tipp, «Pro Service public», Postfach 431, 8024 Zürich, oder Tel. 044 266 17 17.

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