Müde Piloten am Steuerknüppel

Schweizer Piloten sind bis zu 14 Stunden am Stück im Dienst. Zu lange, wie eine Studie kritisiert. Trotzdem sollen die Arbeitszeiten verlängert werden.

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K-Tipp 08/2011

17.04.2011

Letzte Aktualisierung:
18.04.2011

Daniel Jaggi

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Weinfelden TG, 20. März 2009, 4.57 h: Zwei Maschinen der Swiss kommen sich in der Luft gefährlich nahe. Einer der Gründe: Die Besatzung eines der beiden Flugzeuge war nach dem über zehnstündigen Nachtflug «tendenziell müde».

So steht es im Bericht des Büros für Flugunfalluntersuchung. Bassersdorf ZH, 24. Nov. 2001, 21.06 h: Eine Crossair stürzt in einen Wald – 24 Tote, 9 Verletzte. Einer der Gründe: Der Pilot zeigte laut Unfallprotokoll nach rund 14 Stunden Einsatz «Anzeichen von Übermüdung». Er hatte zudem die Ruhezeit nicht eingehalten.

Übermüdete Flugzeugbesatzungen im Cockpit sind keine Seltenheit. Bei einer Umfrage des norwegischen Pilotenverbandes unter 389 Kollegen gab jeder Zweite an, während eines Flugs schon einmal ungewollt eingeschlafen zu sein.

Thomas Steffen von der Schweizer Pilotenvereinigung Aeropers klagt: «Auch wir stellen fest, dass die Piloten zu stark beansprucht sind und die Ruhezeiten immer knapper werden.» Swiss-Sprecher Jean-Claude Donzel betont: «Wir halten uns an die Vorschriften.»

Laut Bundesverordnung beträgt die maximale Flugdienstzeit (Vorbereitung und Flug) 14 Stunden (bei zwei Piloten und vier Landungen/Starts). Die minimale Ruhezeit beträgt nach einem Flug von 12 bis 14 Stunden 8 bis 10 Stunden.

Zum Vergleich: Schweizer Car- und Lastwagenchauffeure dürfen täglich höchstens 9 Stunden hinter dem Lenkrad sitzen (zweimal pro Woche maximal 10 Stunden). Nach 4 1⁄2 Stunden ist eine 45-minütige Pause zwingend. Wer sich nicht daran hält, kassiert eine Busse.

Airlines nur einmal pro Jahr kontrolliert

Für Andreas Wittmer, Leiter des Center for Aviation Competence der Universität St. Gallen, muss dieser Vergleich relativiert werden: «Im Normalfall ist die Belastung in der Luft geringer als auf der Strasse.

Zudem ist es möglich, dass sich Piloten auf Langstrecken ausruhen können. Bei Problemen und an Tagen mit mehreren Starts und Landungen im Kurzstreckenbereich kann die Belastung aber gross sein.»

Car- und Lastwagen-Chauffeure werden in der Schweiz rigoros kontrolliert: rund 70 000 Fahrzeug- und Personenkontrollen waren es im letzten Jahr, so das Bundesamt für Strassen. In der Luftfahrt ist das anders:

«Wir kontrollieren einmal pro Jahr die Einsatzpläne der Fluggesellschaften», sagt Anton Kohler vom Bundesamt für Zivilluftfahrt. Trotz aller Kritik sollen die Flugdienstzeiten der Piloten künftig noch leicht ausgedehnt und die Ruhezeiten reduziert werden.

Grund: Die Regelungen in ganz Europa sollen laut der Europäischen Agentur für Flugsicherheit vereinheitlicht werden: Schon bald sollen Nachtflüge von 12 Stunden (bisher 11 3⁄4 Stunden) erlaubt sein.

Zudem soll die Ruhezeit zwischen Flügen zweimal pro Woche von 8 auf 7 1⁄2 Stunden reduziert werden. Weiterhin erlaubt bleiben Einsätze von bis zu 15 Stunden Flugdienstzeit. Im Passagierluftverkehr hält man also nicht viel von kürzeren Dienstzeiten – und dies, obwohl die von der EU veranlasste Moebus-Studie eine Beschränkung für nötig erachtet.

Denn:

Bei Dienstzeiten zwischen 10 und 12 Stunden steigt das Unfallrisiko um 65 Prozent.
Bei Dienstzeiten von 13 Stunden beträgt das Unfallrisiko das 5,6-fache.

Aber warum nimmt die Europäische Agentur für Flugsicherheit ihre eigene Studie nicht ernst? Dazu Swiss-Linienpilot Thomas Steffen: «Die Airline-Industrie konnte mit einer aggressiven Lobbyarbeit in Europa restriktivere Flugsicherheitsregelungen verhindern. Denn dies hätte Mehrkosten verursacht.»

Dass es auch anders geht, zeigen die USA: Die Flugsicherheitsbehörde hat die Nachtflugzeit auf 9 Stunden begrenzt – aufgrund der Moebus-Studie und eines Absturzes, der auf Übermüdung zurückging.

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