Zu viele Giftstoffe im Innenraum
Neue Tests belegen: Die Luft in Autos ist giftig. Japanische Hersteller wollen handeln und die Schadstoffbelastung senken. Die anderen verharmlosen das Problem.
Inhalt
saldo 16/2005
12.10.2005
Franco Tonozzi
Damit hatte Anna Manser (Name geändert) nicht gerechnet: Im Juli kaufte sie sich einen fabrikneuen Mercedes B 200 Turbo. Jetzt steht das 51 000 Franken teure Auto wieder auf dem Parkplatz ihres Garagisten. Manser musste den Mercedes nach nur 197 Kilometern zurückbringen. Grund: Die Luft im neuen Auto macht sie krank.
Nach jeder Fahrt klagte Sie über Atemnot, Schwindel, rote Augen, Muskelkrämpfe, Kopfschmerzen und taube Beine. Verursacht werden diese Symptome durch Chemikalien,...
Damit hatte Anna Manser (Name geändert) nicht gerechnet: Im Juli kaufte sie sich einen fabrikneuen Mercedes B 200 Turbo. Jetzt steht das 51 000 Franken teure Auto wieder auf dem Parkplatz ihres Garagisten. Manser musste den Mercedes nach nur 197 Kilometern zurückbringen. Grund: Die Luft im neuen Auto macht sie krank.
Nach jeder Fahrt klagte Sie über Atemnot, Schwindel, rote Augen, Muskelkrämpfe, Kopfschmerzen und taube Beine. Verursacht werden diese Symptome durch Chemikalien, die aus Kunststoffteilen wie dem Armaturenbrett in den Innenraum der Fahrzeuge ausgasen.
Das Umweltbundesamt Wien hat untersucht, welchem Giftcocktail Autofahrer ausgesetzt sind. In sechs Neuwagen der Marken Opel, Mercedes, Renault, VW, Alfa Romeo und Mitsubishi wurde die Schadstoffbelastung zwei Tage bis fast sechs Monate nach der Erstzulassung gemessen.
Giftcocktail: Rund 100 problematische Stoffe nachgewiesen
Die Ergebnisse sind alarmierend: In den Autos wurden rund 100 unerwünschte Chemikalien nachgewiesen. Darunter krebserregende Substanzen wie Formaldehyd oder Benzol sowie andere flüchtige organische Verbindungen (VOC), die Augen und Atemwege reizen. Im Renault Megane liegt die VOC-Belastung 14-mal höher als das, was Experten als unbedenklich erachten. Diese Werte werden erreicht, wenn das Fahrzeug im Sommer an der Sonne steht. Beim Opel Astra ist die Unbedenklichkeitsschwelle um das 8fache überschritten, beim Mercedes E 220 um das 4fache.
Für keinen der gemessenen Problemstoffe gibt es gesetzliche Grenzwerte. Für einige, wie Benzol, existieren nicht einmal Richtwerte. Roger Waeber, Experte für Innenraumbelastung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG): «Benzol ist auch in kleinsten Mengen krebserregend. Die Hersteller müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und die Schadstoffkonzentration in den Fahrzeugen senken.»
Doch den Autobauern eilt es nicht. saldo wollte wissen, wie lange sie ihren Kunden das Giftgemisch noch zumuten wollen. Die Antworten sind ausweichend. Mercedes Schweiz schreibt: «Wir halten uns an die Sprachregelung des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA).» Doch VDA-Geschäftsführer Thomas Schlick hat nicht vor, etwas gegen den Smog in den Neuwagen zu unternehmen. Er kritisiert die Testanordnung und entschuldigt die Untätigkeit der deutschen Autobauer mit der neuen Billigkonkurrenz aus Fernost, die auch nichts unternehme: «Wer kümmert sich denn um Chemie in China-Autos?»
Autokäufern, die Probleme mit der Luft in ihrem neuen Fahrzeug haben, bieten Garagisten Ozongeräte an. Damit lasse sich die Luft angeblich entgiften. «Das ist keine gute Idee», sagt Waeber. «Der unangenehme Geruch verschwindet zwar, weil das Ozon die Geruchsteilchen spaltet. Doch so entstehen neue Stoffe, die noch giftiger sein können.»
Dass es anders geht, macht der Verband der japanischen Autohersteller vor: Toyota, Nissan, Honda, Mitsubishi und Mazda verpflichteten sich, ab 2007 nur noch Fahrzeuge zu bauen, die die Luftrichtwerte für Wohnungen einhalten. «Wir haben erkannt, dass wir etwas tun müssen», sagte Toyota-Sprecher Paul Nolasco.
Massive Beschwerden berechtigen zur Rückgabe des Autos
Für Anna Manser kommt das zu spät. Sie will den Mercedes zurückgeben. Ihre Karten stehen nicht schlecht: Führt ein Neuwagen wegen austretender Gase zu erheblichen Gesundheitsbeschwerden, so stellt dies rechtlich einen schweren Mangel dar. Manser ist deshalb befugt, das Auto gegen die Rückerstattung des Kaufpreises zurückzugeben - trotz 197 gefahrener Kilometer.
Testergebnisse: www.global2000.at/index3.htm
Testen Sie Ihren Neuwagen
Solange sich die Autohersteller nicht um die schlechte Luft in ihren Fahrzeugen kümmern, sollten Sie vor dem Kauf das Klima im Wagen selbst prüfen:
- Bestehen Sie auf einer langen Probefahrt. Schliessen Sie die Fenster und stellen Sie die Klimaanlage ab. So reichern sich vorhandene Schadstoffe an. Und Sie können rascher beurteilen, ob Sie die Luft im neuen Auto ertragen.
- Noch besser: Verlangen Sie vom Verkäufer, dass er Ihnen übers Wochenende ein Vorführmodell überlässt, das Sie ausgiebig testen können.