Einmal richtig lange pausieren
Zwei Drittel aller Angestellten träumen von einem Ausstieg auf Zeit. Reisen, eine Weiterbildung, ein Sozialeinsatz - das wärs. Allerdings muss so ein Vorhaben gut geplant sein.
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Haus & Garten 4/2005
21.09.2005
Christian Kaiser
Einmal die Bremse ziehen in der Hektik des Arbeitsalltags, sich ausklinken, ferne Länder bereisen, einfach die Seele baumeln lassen. Für Alexa Demander Weber und Benno Weber aus Zürich wird dieser Traum bald wahr: Ab Oktober werden sie ein Jahr lang mit ihrem eigenen Segelschiff von Südafrika aus exotische Länder entdecken. «Schon lange wollte ich mir eine lange Pause gönnen», freut sich Alexa Demander, «jetzt ist der richtige Moment!»
Die 34-Jährige ist Mutter von zwei...
Einmal die Bremse ziehen in der Hektik des Arbeitsalltags, sich ausklinken, ferne Länder bereisen, einfach die Seele baumeln lassen. Für Alexa Demander Weber und Benno Weber aus Zürich wird dieser Traum bald wahr: Ab Oktober werden sie ein Jahr lang mit ihrem eigenen Segelschiff von Südafrika aus exotische Länder entdecken. «Schon lange wollte ich mir eine lange Pause gönnen», freut sich Alexa Demander, «jetzt ist der richtige Moment!»
Die 34-Jährige ist Mutter von zwei Kindern: Mila ist zwei Jahre alt, Max neun Monate. Daneben arbeitet sie 60 Prozent beim Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfachs.
Alle fünf bis sieben Jahre ein Sabbatical, raten Fachleute
Kein Wunder wurde ihr das mit der Zeit «einfach zu viel». Von ihrem Auszeitabenteuer verspricht sie sich mehr Zeit für sich und die Kinder. Demander will zudem Energie tanken, um nachher wieder frisch gestärkt ins Erwerbsleben zu starten. «Dieses Erlebnis wird sicher auch für die Kinder toll», meint sie.
Von Alexa Demanders Auszeit werden also auch ihre Familie und ihr künftiger Arbeitgeber profitieren. Der Nutzen von Auszeiten für Wirtschaft und Gesellschaft ist unumstritten: Jedes Timeout beugt dem Burnout vor. Jede arbeitsfreie Phase steigert die Motivation und Kreativität. Laufbahnberaterinnen und Arbeitspsychologen empfehlen deshalb, sich alle fünf bis sieben Jahre eine Auszeit - ein so genanntes Sabbatical - zu gönnen.
Finanzielle Unterstützung für Aussteiger auf Zeit
Das Konzept ist uralt. Der Begriff «Sabbatical» geht auf ein alttestamentarisches Gebot zurück. Sinngemäss steht im Zweiten Buch Mose: «Sechs Jahre sollst du dein Land besäen und seine Früchte einsammeln. Aber im siebten Jahr sollst du es ruhen lassen.»
Professoren in den USA nahmen sich das eines Tages zu Herzen und führten vorlesungsfreie Forschungssemester an anderen Universitäten, Sabbaticals, ein.
In Dänemark, den Niederlanden oder in Finnland unterstützt der Staat längere Auszeiten sogar finanziell. In der Schweiz ist die Möglichkeit, eine derartige Auszeit zu beziehen, jedoch immer noch die seltene Ausnahme von der Regel und bleibt bestimmten Berufsgruppen vorbehalten - zum Beispiel Professorinnen, Lehrern oder Pfarrern.
Timeout: Oft bleibt nur die Kündigung
Immerhin bewilligen einige Schweizer Grossunternehmen einen Langzeiturlaub. Vor allem Kaderleute können von dieser Möglichkeit profitieren. Bei der ABB etwa sind Sabbaticals von bis zu drei Jahren möglich, während denen die Firma sogar die Arbeitgeberbeiträge in die Pensionskasse weiter bezahlt.
Benno Weber hat das Glück, bei einem Arbeitgeber angestellt zu sein, der ihm einen unbezahlten Urlaub gewährt. Diese Auszeitvariante erleichtert die Rückkehr ins Berufsleben. Weiterer Vorteil: Ein Teil des während der Auszeit nötigen Versicherungsschutzes wird über den bisherigen Arbeitgeber gewährleistet.
Viele Personalchefs stehen einem «Unbezahlten» jedoch nach wie vor skeptisch gegenüber: Sie möchten verhindern, dass «diese Mode einreisst», oder befürchten, dass die Auszeit nur «der Einstieg zum definitiven Ausstieg» aus dem Job ist. Dem Gros der Schweizer Angestellten bleibt darum - wie bei Alexa Demander - nur die Kündigung, wenn es den Traum vom Timeout realisieren will.
Aber mehrere Monate ohne Lohn zu sein, gleichzeitig die zu Hause weiterlaufenden Kosten wie Krankenkasse oder Miete zu bezahlen und zusätzlich für Reise, Unterkunft und Verpflegung aufzukommen - wer kann sich das schon leisten?
Mehr Leute, als man denkt, denn für eine längere Auszeit braucht es keinen sechsstelligen Betrag auf der hohen Kante. Es geht mit deutlich weniger Geld. Das Rezept heisst: Fixkosten reduzieren, Kosten für das Timeout tief halten und sparen.
25 000 Franken für ein Jahr Auszeit - alles inbegriffen
Die Webers machen es vor: «Wir sparen seit mehr als drei Jahren auf unsere Reise und leben recht einfach - kein Auto, keine neuen Möbel, keine teuren Kleider.» Ihre Wohnung haben sie gekündigt, die Möbel stellen sie bei den Eltern unter.
«Hinzu kommt, dass das Leben auf einem Segelschiff sehr günstig ist. Wir rechnen für dieses Jahr mit etwa 25 000 Franken für die ganze Familie - alles inklusive», sagt Alexa Demander.
Ihr Auslandabenteuer bereits hinter sich haben Susanne Wicki Manser und Urs Manser aus Luzern: Im letzten Jahr arbeiteten sie während vier Monaten für eine Schweizer Entwicklungshilfeorganisation in Kamerun.
Beide möchten diese Erfahrung keinesfalls missen: «Das war etwas vom Spannendsten, was ich je erlebt habe», sagt Susanne Wicki. «Wir waren dort viel näher am Leben. Hühner und Ziegen im Garten und abends, wenn die Sonne unterging, blieben uns nur die Kerzen.»
Das Kamerun-Abenteuer habe ihr geholfen, kulturelle Unterschiede besser zu verstehen. Und sie habe für Schweizer selbstverständliche Dinge wie ein funktionierendes Rechtssystem oder die Möglichkeit, sich ohne Angst frei bewegen zu können, neu schätzen gelernt, sagt die Anwältin, die heute in Emmenbrücke LU praktiziert.
Trotzdem fällt die Bilanz nicht nur positiv aus: Urs Manser musste feststellen, dass er ein grosses Risiko einging, als er für sein einjähriges Timeout seine gute Stelle bei einer Stadtverwaltung aufgab: «Aufs Geratewohl würde ich das heute nicht mehr machen. Selbst mit guter Ausbildung kann man heute nach der Rückkehr arbeitslos bleiben. Ich habe nur dank guter Beziehungen schnell wieder eine Stelle gefunden.» Nicht nur der Ausstieg, auch der Wiedereinstieg will deshalb sorgfältig geplant sein.
Infos: So gelingt die Auszeit
Auch während der Auszeit gilt es einiges zu beachten.
Tipps zur Vorbereitung
- www.berufsberatung.ch (Auswahl: -> «Laufbahn» -> «Tipps für die Laufbahnplanung» > «Time-Out»)
Saldo-Ratgeber
- «Die drei Säulen: Gut vorsorgen»
- «Arbeitsrecht»
Beide Ratgeber kosten je Fr. 25.- (für Nichtabonnenten Fr. 30.-). Erhältlich unter www.saldo.ch.
Gesundheitskosten und Job: So schützen Sie sich während der Auszeit vor teuren Risiken
Ob Sie für die berufliche Auszeit Ihre Stelle kündigen oder unbezahlten Urlaub nehmen - ohne entsprechende Vorkehrungen kann vieles schief gehen. Gegen folgende fünf Risiken sollten Sie sich absichern:
1. Risiko Krankheit:
Zusatzversicherungen klären
Wenn Sie im Ausland einen Arzt oder ein Spital aufsuchen müssen, sind Sie über Ihre Krankenkasse versichert. Die Grundversicherung zahlt aber nur Behandlungskosten, die maximal doppelt so hoch sind wie in der Schweiz. Falls Sie in ein Land mit sehr hohen Gesundheitskosten reisen, sollten Sie eine Zusatzversicherung mit unbeschränkter weltweiter Deckung abschliessen. Nötig ist dies etwa für die USA, Japan, Australien und Neuseeland.
2. Risiko Unfall: Abredeversicherung abschliessen
Bei Kündigung oder unbezahltem Urlaub läuft nach 30 Tagen der Versicherungsschutz für Nichtberufsunfälle (NBU) ab. Sie können den Versicherungsschutz jedoch mit einer so genannten Abredeversicherung bei der Versicherungsgesellschaft Ihres Arbeitgebers für Fr. 25.- monatlich um maximal 180 Tage verlängern. Heilungskosten, allfällige Transport-, Bergungs- und Rettungskosten sind damit gedeckt.
Im Fall von Arbeitsunfähigkeit infolge eines Unfalls erhalten Sie zudem ab dem Zeitpunkt der geplanten Rückkehr in den Betrieb Taggelder, welche den Lohnausfall decken. Und: Im Invaliditätsfall zahlt die Unfallversicherung eine Rente.
3. Risiko Erwerbsausfall:
Krankentaggeld und Pensionskasse abchecken Hier gilt es, zwei Schwerpunkte abzuklären:
- Lohnersatz: Falls Ihr Arbeitgeber eine Kollektiv-Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat, sollten Sie versuchen, den Lohnersatz bei Krankheit (Taggeld) weiterhin zu versichern. Bei unbezahltem Urlaub besteht eventuell sogar die Möglichkeit, dass Sie weiterhin über die betriebliche Kollektiv-Versicherungspolice versichert bleiben.
- Invalidität und Tod: Angestellte sind in der Regel bei einer Pensionskasse (PK) gegen Invalidität versichert. Einen Monat nach Beginn einer Auszeit erlischt dieser Versicherungsschutz allerdings automatisch. Falls Sie nichts unternehmen und während Ihrer Auszeit wegen einer Krankheit invalid werden, müssen Sie den Rest Ihres Lebens mit einer kleinen IV-Rente auskommen.
Erkundigen Sie sich deshalb bei Ihrer bisherigen PK, ob und unter welchen Bedingungen Sie sich für die Dauer Ihres Timeouts weiter versichern können. Sollte die PK dazu nicht Hand bieten, können Sie sich bei der Auffangeinrichtung BVG (Adresse Seite 43) versichern oder Sie decken das Invaliditäts- und Todesfallrisiko mit einer zeitlich begrenzten privaten Versicherung (Renten- oder Kapitalversicherung).
Auch bei den Krankenkassen lässt sich die Auszahlung eines Kapitals (empfehlenswert: mindestens 100 000 Franken) im Invaliditätsfall zum Teil günstig versichern.
4. Risiko Arbeitslosigkeit: Sich rechtzeitig dagegen absichern
Planen Sie so gut als möglich auch den beruflichen Wiedereinstieg. Minimieren Sie das Risiko, nach Ihrer Auszeit ohne Job dazustehen
- Unbezahlter Urlaub: Halten Sie alle wichtigen Punkte für die Rückkehr in den Betrieb in einer schriftlichen Vereinbarung fest: zum Beispiel Dauer der Auszeit, künftige Position, Lohn, Folgen bei Arbeitsunfähigkeit wegen Unfall oder Krankheit.
Achtung: Grundsätzlich besteht während eines unbezahlten Urlaubs kein Kündigungsschutz. Vereinbaren Sie mit dem Arbeitgeber deshalb auch einen beidseitigen Kündigungsverzicht für die Dauer der Auszeit.
- Kündigung: Falls Sie Ihre bisherige Stelle aufgeben, sollten Sie vor Ablauf Ihres Timeouts rechtzeitig mit der Stellensuche beginnen. Halten Sie all Ihre Arbeitsbemühungen fest, damit Sie diese allenfalls gegenüber der Arbeitslosenkasse belegen können.
Voraussetzung für den Erhalt von Arbeitslosengeld: Sie müssen in den zwei Jahren vor der Anmeldung beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) während mindestens zwölf Monaten gearbeitet und Beiträge an die Arbeitslosenversicherung bezahlt haben.
Bei längeren Auszeiten kann dies zu unliebsamen Überraschungen führen. Wer sich erst im 13. Monat nach seiner Kündigung beim RAV meldet, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Ausnahmen: Auszeit für Arbeit im Ausland oder Ausbildung).
Wer also nicht plötzlich ohne Job und ohne Taggelder dastehen will, sollte eine Auszeit von weniger als zwölf Monaten planen und sich nach Ablauf umgehend beim RAV anmelden.
Je nach Kündigungsgrund kann die Arbeitslosenkasse zudem bis zu 60 Einstelltage verfügen. Mangelnde Bemühungen um eine neue Stelle werden mit zusätzlichen Kürzungen des Taggeldanspruchs quittiert.
5. Risiko gekürzte Rente: AHV-, IV- und EO-Beiträge bezahlen
Vermeiden Sie Beitragslücken in der AHV. Sie wirken sich auf die spätere Rente aus.
Bei Auszeiten, die länger als ein halbes Jahr dauern, sollten Sie unbedingt bei der zuständigen Ausgleichskasse (kantonale Ausgleichskasse an Ihrem Wohnsitz) abklären, ob Sie für die Dauer Ihrer Auszeit die Beiträge für Nichterwerbstätige zahlen müssen. Fehlende Beitragsjahre können aber auch noch nachträglich - während höchstens fünf Jahren rückwirkend - nachbezahlt werden.