Milch: Unnötige Zusätze
Milch ist heutzutage nicht mehr rein natürlich: Die Industrie hat sie als Lifestyle-Produkt entdeckt.
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saldo 10/2005
25.05.2005
Claudine Gaibrois
Die Fitnesswelle macht seit einiger Zeit auch vor der Milch nicht mehr Halt. Wer fürchtet, sich mit den täglichen Mahlzeiten zu wenig gesund zu ernähren, findet beim Grossverteiler Coop Sport Milk «mit 7 Vitaminen und Calcium angereichert» sowie Omega 3 Milk «reich an Omega 3 Fettsäuren». Konkurrent Migros führt Vita Milk «mit 9 Vitaminen» und Calcium Milk «mit Calcium aus der Milch angereichert» im Sortiment.
Kalzium-Milch: Nicht viel mehr Kalzium als normale...
Die Fitnesswelle macht seit einiger Zeit auch vor der Milch nicht mehr Halt. Wer fürchtet, sich mit den täglichen Mahlzeiten zu wenig gesund zu ernähren, findet beim Grossverteiler Coop Sport Milk «mit 7 Vitaminen und Calcium angereichert» sowie Omega 3 Milk «reich an Omega 3 Fettsäuren». Konkurrent Migros führt Vita Milk «mit 9 Vitaminen» und Calcium Milk «mit Calcium aus der Milch angereichert» im Sortiment.
Kalzium-Milch: Nicht viel mehr Kalzium als normale Milch
Viel mehr als Verkaufsförderung stellt diese Anreicherung mit gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen jedoch nicht dar, kritisieren Fachleute. Die diplomierte Ernährungsberaterin Tania Lehmann zeigt dies am Beispiel Kalzium: «Normale Milch enthält 120 Milligramm Kalzium pro 100 Milliliter. Die mit Kalzium angereicherte Milch enthält nur einen Viertel mehr. Das macht nicht viel aus - der Kalzium-Tagesbedarf eines erwachsenen Menschen beträgt 800 Milligramm.»
Dasselbe gilt laut der Expertin auch für Omega-3-Fettsäuren, von denen seit einiger Zeit überall die Rede ist, weil sie das Risiko von Herz-Kreislauf-Krankheiten vermindern: «Omega-3-Milch wird mit einem halben Kaffeelöffel Rapsöl pro Deziliter angereichert. Abgesehen davon, dass dies sehr wenig ist, nimmt man Omega-3-Fettsäuren auch in gewöhnlichen Nahrungsmitteln zu sich.» Das Gleiche gilt für die Vitaminzusätze: Ausser der für schwangere Frauen wichtigen Folsäure sind in Vita Milk und Sport Milk nur geringfügig mehr Vitamine enthalten als in normaler Milch.
Migros führt dafür vor allem technische Gründe an: «Bei der Anreicherung mit Vitaminen muss auch auf den geschmacklichen Einfluss geachtet werden.» Kalzium werde über Milchproteinpulver zugeführt. Mehr als eine bestimmte Menge davon lasse sich jedoch in der Milch nicht auflösen.
Coop beruft sich auf das Gesetz: «Die Omega 3 Milk enthält genau so viel Omega-3-Fettsäuren, wie es die gesetzliche Maximaldosierung erlaubt.» Gleich argumentiert Coop bei den Vitaminen. Die Rechnung bezieht sich allerdings auf eine nicht gerade durchschnittliche Tagesration von 5 Dezilitern Milch.
Genauso unnötig wie die Fitnessmilch für Erwachsene ist in den Augen von Tania Lehmann die sogenannte Wachstumsmilch für Kleinkinder. Diese enthält unter anderem zusätzliche Mineralsalze, Vitamine und Eisen: «Eine normale Ernährung deckt die Bedürfnisse des Kindes nach diesen Stoffen ab. Ausserdem handelt es sich bei der Wachstumsmilch um ein Industrieprodukt, das mit verschiedenen Zuckerarten angereichert ist.»
Milch mit Zusätzen: Guter Verdienst für die Anbieter
Hersteller Milupa in Domdidier FR gibt zu, «dass Wachstumsmilch bei einer ausgewogenen Ernährung nicht nötig ist». Nützlich sei der Einsatz des Produkts, wenn dies nicht der Fall sei. Der Konkurrent Nestlé betont ganz allgemein, die Spezialmilch entspreche den Bedürfnissen von Kleinkindern «optimal».
Sicher ist: Mit angereicherter Milch verdienen die Anbieter gutes Geld: Fr. 3.50 verlangt Milupa für einen Liter «Milu-Milk» - Nestlé gar 5 Franken für dieselbe Menge «Junior Milk». Die unnötige Fitnessmilch kostet bei Migros 15 Prozent, bei Coop einen Drittel mehr als gewöhnliche Pastmilch. Das ist der Preis für die Verwandlung eines Grundnahrungsmittels in ein Lifestyle-Produkt.