Brech-Viren legen Hunderttausende flach
Jedes Jahr erkranken in der Schweiz eine halbe Million Menschen an Brech-Durchfall. Auslöser sind Viren.<br />
Sie sind so ansteckend, dass selbst perfekte Hygiene die Verbreitung kaum verhindern kann.
Inhalt
Gesundheitstipp 6/2004
09.06.2004
Esther Diener Morscher - redaktion@pulstipp.ch
Den 3-jährigen Janis erwischte es kurz und heftig: In hohem Bogen erbrach er sich plötzlich mitten im Treppenhaus. Zwei Tage lang musste er sich übergeben, immer wieder. Dann war er wieder gesund.
Doch jetzt litten andere an Durchfall und Erbrechen: seine Mutter, sein Vater und sein Bruder. Auch den Nachbarn, der zwei Tage zuvor im Treppenhaus beim Putzen geholfen hatte, erwischte es. Und das Mädchen, das damals zufällig vorbeigekommen war.
Kaum konnten diese w...
Den 3-jährigen Janis erwischte es kurz und heftig: In hohem Bogen erbrach er sich plötzlich mitten im Treppenhaus. Zwei Tage lang musste er sich übergeben, immer wieder. Dann war er wieder gesund.
Doch jetzt litten andere an Durchfall und Erbrechen: seine Mutter, sein Vater und sein Bruder. Auch den Nachbarn, der zwei Tage zuvor im Treppenhaus beim Putzen geholfen hatte, erwischte es. Und das Mädchen, das damals zufällig vorbeigekommen war.
Kaum konnten diese wieder normal essen, begann die Misere bei den Familienmitgliedern des Nachbarn und des Mädchens. Insgesamt elf Personen hatten sich bei Janis' Brechanfall im Treppenhaus angesteckt. Fünf davon direkt, sechs über Zweitpersonen.
Ursache waren vermutlich Noroviren. So heissen die hochansteckenden Erreger von Magen-Darm-Grippen: Nur gerade 10 bis 100 Viruspartikel braucht es nach Ansicht von Fachleuten, damit ein Mensch krank wird. Millionen solcher Partikel hat es in einem Tausendstelliter Erbrochenem oder Durchfall eines Erkrankten.
Kinder erkranken mehrmals jährlich an Magen-Darm-Grippe
Der kleine Janis litt nicht zum ersten Mal an einer solchen Magen-Darm-Grippe. «Unsere Kinder bringen das bis zu dreimal pro Jahr von der Krippe oder vom Kindergarten heim», schildert die Mutter.
In den letzten Jahren haben Infektionen mit Noroviren deutlich zugenommen. «Wir rechnen in der Schweiz derzeit mit jährlich 400000 bis 600000 Erkrankungen», sagt Rainer Fretz-Männel vom Zentrum für Noroviren am Kantonalen Laboratorium Baselland.
Warum die Magen-Darm-Grippen immer häufiger auftreten, wissen die Fachleute noch nicht mit Sicherheit. «Wahrscheinlich gibt es neue Virenstämme, die ansteckender sind als die bereits bekannten.» Noroviren ändern sehr schnell ihre Form. Der Körper hat deshalb keine Möglichkeit, genügend Abwehrkräfte gegen eine erneute Infektion aufzubauen.
Für eine Ansteckung genügen kleinste Spuren an den Händen
Die Erreger erreichen ihre Opfer über die Luft, auf Lebensmitteln und in seltenen Fällen übers Trinkwasser. Wenn sich infizierte Personen erbrechen, verteilen sich Milliarden von winzigen virushaltigen Tröpfchen in der Luft und stecken die Anwesenden an. Und schon kleinste Spuren von Erbrochenem oder Stuhl an den Händen und unter den Fingernägeln können sich auf jenen Lebensmitteln verteilen, die man berührt.
12 bis 48 Stunden später leiden alle, die davon gegessen haben, unter akutem Erbrechen oder Durchfall. Tückisch: Noroviren bleiben tagelang ansteckend. Temperaturen zwischen minus 20 und plus 60 Grad können ihnen nichts anhaben.
Auf einem Teppich überleben die Erreger problemlos zwölf Tage. Kein Wunder, berichtet die Mutter von Janis: «Wir waren auch schon bei einer Familie zu Besuch, die ein paar Tage zuvor eine Magen-Darm-Grippe durchgemacht hatte, aber wieder gesund war. Trotzdem waren wir am Tag darauf alle krank.»
In seltenen Fällen kommen die Erreger aus verschmutztem Trinkwasser: 1998 erkrankten im bernischen La Neuveville 3500 Personen. Drei Jahre später gab es einen Fall mit 650 Erkrankten im Kanton Zürich.
Experte Rainer Fretz: «In beiden Fällen wurden Noroviren nachgewiesen.» Ein gewisses Risiko gehe zudem auch von rohen Muscheln aus: «Bei einer Untersuchung von Austern auf dem Schweizer Markt fanden sich in 10 von 87 Proben Noroviren.»
Die durch Noroviren verursachte Magen-Darm-Grippe ist zwar lästig, denn während zwei bis drei Tagen erbrechen sich die angesteckten Personen explosionsartig. Vor allem Erwachsene haben zum Teil auch massiven Durchfall. Sie leiden unter Übelkeit, Bauchschmerzen und Krämpfen. Doch Noroviren können nur älteren Menschen und Säuglingen gefährlich werden. Rainer Fretz warnt: «Wenn sie zu wenig trinken, droht der Körper auszutrocknen.»
Die wichtigste und meistens einzig wirksame Massnahme ist deshalb, viel zu trinken. Von Medikamenten rät Rainer Fretz eher ab: «Bei einer normalen Erkrankungsdauer von zwei bis drei Tagen und wenn der Patient nicht zusätzlich aus anderen Gründen geschwächt ist, sind Medikamente nicht nötig.»
Bei Magen-Darm-Grippe zu Hause bleiben!
Das können Sie bei Magen-Darm-Grippe tun:
- Bleiben Sie zu Hause und meiden Sie den Kontakt mit anderen Menschen.
- Viel Mineralwasser, Tee oder mit Wasser verdünnten Fruchtsaft trinken.
- Halten Erbrechen und Durchfall mehrere Tage an und haben Sie Fieber, sollten Sie zum Arzt.
- Vorbeugen kann man nur durch peinlich genaue Hygiene im Umfeld von erkrankten Personen.
- Antibiotika nützen nicht gegen Durchfallviren.
- Auf Kleidern und in der Umgebung von Erkrankten können Noroviren eine Woche überleben und andere Personen anstecken.
- Waschen Sie Hände und Fingernägel gut und trocknen Sie sie mit einem Einweghandtuch.
- Waschen Sie verschmutzte Wäsche bei mindestens 60 Grad.
- Reinigen Sie verschmutzte Oberflächen und Teppiche mit Javelwasser oder einem Dampfgerät.