Preiserhöhungen: Unser täglich Brot
Die Brotpreise steigen. Die Gründe dafür sind undurchsichtig. Die Bäcker geben den schwarzen Peter an die Müller weiter, die Müller wiederum an die Bauern.
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saldo 3/2003
19.02.2003
Mike Weibel
Migros-Kunden zahlen dieses Jahr mehr fürs Brot: Eine Semmel kostet seit Ende Januar nicht mehr 45, sondern 50 Rappen, und mit Fr. 2.60 ist ein Kilogramm Halbweissbrot 20 Rappen teurer geworden. Das sind immerhin knapp 10 Prozent an Mehrkosten. Ein Teil der Schweizer Bäcker hat auf Anfang Jahr ebenfalls aufgeschlagen, und auch Coop erwägt eine Preiserhöhung.
Als Grund für den kürzlichen Aufschlag nennt die Migros die gestiegenen Getreidepreise. Die Bäcker geben den schwarze...
Migros-Kunden zahlen dieses Jahr mehr fürs Brot: Eine Semmel kostet seit Ende Januar nicht mehr 45, sondern 50 Rappen, und mit Fr. 2.60 ist ein Kilogramm Halbweissbrot 20 Rappen teurer geworden. Das sind immerhin knapp 10 Prozent an Mehrkosten. Ein Teil der Schweizer Bäcker hat auf Anfang Jahr ebenfalls aufgeschlagen, und auch Coop erwägt eine Preiserhöhung.
Als Grund für den kürzlichen Aufschlag nennt die Migros die gestiegenen Getreidepreise. Die Bäcker geben den schwarzen Peter an die Müller weiter: «Ein deutscher Bäcker zahlt 40 Franken fürs Mehl, wir über 120 Franken!» Und die Müller geben den Landwirten die Schuld: «Die Bauern halten künstlich das Angebot knapp, um die Preise in die Höhe zu treiben.» Die Landwirte widersprechen: «Die letztjährige Ernte ist noch gar nicht abgerechnet!»
Keine Erhöhung der Brotpreise in den letzten zehn Jahren
Wo liegen die wirklichen Gründe für die Brotpreiserhöhung? saldo rollt die Geschichte von hinten auf: Der Schweizer Durchschnittskonsument isst täglich etwa 130 Gramm Brot, übers Jahr also knapp 50 Kilogramm - weniger als Fleisch. Wenn er diesen Bedarf ausschliesslich aus dem ganzen Migros-Brotsortiment decken würde, gäbe er künftig jährlich etwa 5 Franken mehr aus. Tatsache ist ebenso: Die Brotpreis-Kurve verlief in den letzten zehn Jahren flach wie ein Fladenbrot.
Bäckereien fast doppelt so teuer wie die Grossverteiler
Dagegen sind die Preisunterschiede zwischen Grossverteilern und Bäckereien enorm. Die Grossen sprechen von Kampfpreisen: Ein Pfund Brot gibt es oft schon unter Fr. 1.40. «Da verdienen die wohl nichts mehr dran», glaubt Renaldo Nanzer, Sekretär des Bäckermeisterverbandes. In den gewerblichen Bäckereien kostet das Pfund durchschnittlich fast das Doppelte, nämlich Fr. 2.60, schätzt Nanzer.
Doch wieso steigt der Brotpreis? Sie müssten mehr fürs Mehl zahlen, sagen die Bäcker. Allerdings macht der Mehlpreis nur knapp 20 Prozent der Brotkosten aus. Eine genaue Kalkulation unter Berücksichtigung des Mehlverbrauchs pro Brot zeigt: Steigt der Mehlpreis beispielsweise um 4 Franken pro 100 Kilogramm, dürfte das Pfund Brot nur gerade um 1,5 Rappen aufschlagen.
Und weshalb ist das Mehl teurer? Willi Grüninger, Müller in Flums SG, begründet seinen Preisaufschlag von Anfang Jahr um 4 Franken pro 100 Kilogramm: «Weizen kostet heute bis zu 6 Franken mehr als im letzten August.» Die Weltmarktpreise seien gestiegen, und bis zur nächsten Ernte müsse man mit hohen Preisen rechnen.
Schweizer Brot: Zum Grossteil aus Inland-Getreide
Ist der Weltmarkt also schuld an den teureren Semmeln der Migros? Wer den Weizenpreisindex der Warenterminbörse Hannover studiert, findet dafür keinerlei Anzeichen: Seit September 2002 sinken die Preise für den Brotweizen beharrlich. Einzig mit Weizen aus dem nordamerikanischen Kontinent wurde zwischen Juni und November 2002 extrem hoch spekuliert. Seither ist die Kurve wieder steil abfallend.
Kaufen Schweizer Händler zur falschen Zeit am falschen Ort ein? «Keineswegs», meint Pius Eberhard, zuständig für den Brotgetreidehandel bei der marktmächtigen Fenaco. «Die Mühlen verlangen traditionell nach erstklassigem Kanada-Weizen, damit sie ein optimales Backmehl herstellen können.» Für diese Qualitäten gälten andere, erhöhte Preise, was auch die Inland-Preise nachziehe.
Denn im Schweizer Brot ist wenig ausländisches Getreide. Der Bund erlaubt bloss 70 000 Tonnen Import pro Jahr und verteuert diese mit einer Zollgebühr von je 345 Franken - fast gleich viel wie der heutige Warenwert. Der Rest von rund 400 000 Tonnen wächst auf helvetischem Boden heran.
Trotz guter Preise weniger Einnahmen für Bauern
Tragen also die Bauern Schuld an der Preiserhöhung? «Wir hatten sehr viel Regen im August», erklärt Fritz Glauser, Landwirt in Châtonnaye FR und Sekretär der Getreideproduzenten. «In höheren Lagen mussten wir bis zu drei Viertel der Ernte als minderwertiges Futtergetreide verkaufen.» Deshalb sei das hochwertige Inland-Brotgetreide knapp, was wohl für diese Qualitäten zu guten Preisen führen werde. Doch im Vergleich zum alten Regime, wo der Staat den Bauern einen Fixpreis für Getreide zahlte, blieben ihm fast 2000 Franken weniger pro Hektar Weizen, rechnet Glauser vor.