So werden Sie Ihren schlechten Atem los
Bei Mundgeruch sind Bakterien beteiligt, die sich auch an Schweissfüssen und verwesenden Leichen finden. Patienten sind oft hilflos und verdrängen das Übel. Jetzt sagen Ärzte dem Mief den Kampf an.
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Gesundheitstipp 1/2003
22.01.2003
Thomas Grether - thgrether@pulstipp.ch
Zahnarzt Benno Raddatz aus dem deutschen Durmersheim hat sich voll und ganz dem Mundgeruch verschrieben. Seinen Job hat er an den Nagel gehängt. Statt Zähne zu flicken, lässt sich Raddatz mehrmals täglich anhauchen. Zehn Zentimeter vor seinem Gesicht sperren die Patienten ihren Mund auf, damit er eine Nase voll nehmen kann.
Wichtig dabei sei, dass die Patienten einige Worte sprechen, «damit die Schleimhäute schön vibrieren», sagt Raddatz. Nur so entfalte der Mundgeruch die...
Zahnarzt Benno Raddatz aus dem deutschen Durmersheim hat sich voll und ganz dem Mundgeruch verschrieben. Seinen Job hat er an den Nagel gehängt. Statt Zähne zu flicken, lässt sich Raddatz mehrmals täglich anhauchen. Zehn Zentimeter vor seinem Gesicht sperren die Patienten ihren Mund auf, damit er eine Nase voll nehmen kann.
Wichtig dabei sei, dass die Patienten einige Worte sprechen, «damit die Schleimhäute schön vibrieren», sagt Raddatz. Nur so entfalte der Mundgeruch die Intensität, die nötig sei, um ihn richtig untersuchen zu können.
Raddatz ist in Deutschland eine Art Mundgeruch-Pionier. Wer seinen schlechten Atem loswerden will, muss allerdings nicht nach Deutschland reisen. Seit kurzem hat auch die Schweiz ihre erste Mundgeruch-Praxis. Das Zentrum für Zahnmedizin der Universität Basel führt neu eine Sprechstunde, in der Patienten mit schlechtem Atem gezielt behandelt werden. «Mundgeruch ist verbreitet. Doch viele Menschen trauen sich nicht, ihren Arzt um Rat zu fragen», sagt Oberarzt und Sprechstunde-Leiter Andreas Filippi.
Mindestens 15 Prozent der Erwachsenen haben täglich Mundgeruch. Laut Filippi ist es «höchste Zeit», diesen Menschen Hilfe anzubieten. Im Durchschnitt sind die Patienten der Mundgeruch-Praxis 30 Jahre alt.
«Die Jüngeren sind eher bereit, über das Problem zu sprechen», sagt Filippi. Vor allem ältere Menschen jedoch würden ihr Leiden verdrängen. Dies bestätigt Benno Raddatz: «Eine betagte Patientin sagte kürzlich zu mir, sie habe ihren Mann seit zehn Jahren nicht mehr geküsst. Aus Angst, ihn anzuekeln.»
Raddatz muss nach einer Untersuchung nicht selten die Praxis durchlüften. Und der weltweit führende Mundgeruch-Experte Professor Mel Rosenberg von der Universität Tel Aviv in Israel berichtet, dass es in manchem Mund nach Schweissfüssen stinke. Laut Rosenberg sind nicht Knoblauch, Zwiebeln oder Fisch schuld daran.
Die Ursache für den Gestank seien bei 80 Prozent der Patienten Bakterien in der Mundhöhle. Diese zersetzen die Reste von Speisen, Eiweiss, Zellen oder Blut. Dabei werden Aceton und Schwefelgase wie Sulfid frei. Auf der Zunge entsteht durch die Bakterien auch Cadaverin, ein Stoff, der sich laut Rosenberg «normalerweise in verwesenden Leichen» findet.
Der Mundgeruch-Experte bürstet seine Zunge täglich
Gegenmassnahme Nummer eins ist - darin sind sich die Mundgeruch-Ärzte einig: täglich die Zunge bürsten. Und zwar mit der normalen Zahnbürste, direkt nach dem Zähneputzen, mit dem Rest Zahnpaste im Mund. Danach gründlich spülen. Wichtig sei, so Benno Raddatz, «bis weit nach hinten» zu rubbeln. «Dort sitzen die meisten Fäulnis-Bakterien.» Vorne schabt sich die Zunge automatisch an den Zähnen sauber.
Raddatz und andere Zahnärzte bürsten täglich selbst ihre Zungen, wie es die Menschen im Fernen Osten übrigens seit Jahrhunderten tun. Übereinstimmend bestätigen die Ärzte, dadurch ihren eigenen Mundgeruch in den Griff bekommen zu haben - und seither nie mehr ernsthaft erkältet gewesen zu sein. «Auch Krankheitskeime lassen sich gehäuft auf der Zunge nieder. Wer sie wegbürstet, verhindert, dass eine Erkältung ausbricht», erklärt Raddatz.
Der Zahnarzt findet die Ursache häufig
Erster Ansprechpartner bei Mundgeruch ist der eigene Zahnarzt. Er sollte folgende Ursachen abklären:
- Zahnfleischtaschen, grosse Karieslöcher: Speisereste setzen sich in ihnen fest, werden abgebaut und entwickeln unangenehme Gerüche.
- Blutendes Zahnfleisch: Dies ist ein Zeichen für eine Entzündung (Paradontitis) und Ablagerungen (Plaque) unter dem Zahnfleisch. Dort setzen sich Mikroorganismen fest, die starken Mundgeruch verursachen können.
- Beschädigte Ränder von Füllungen und Kronen: Auch hier können sich in Nischen Speisereste festsetzen.
- Entzündete oder ausgetrocknete Mundschleimhaut, kleine Geschwüre: Speisereste kleben regelrecht an Zähnen und Zahnfleisch und an Geschwüren. Vor allem bei älteren Patienten funktionieren die Speicheldrüsen nicht mehr richtig.
- Zahnprothese: Wenn man sie mangelhaft reinigt, bleiben Bakterien hängen und entwickeln Gerüche.
- Schlechter Geruch kann auch im Rachenraum entstehen, wenn zum Beispiel Infekte in den Kieferhöhlen vorhanden sind oder - bei Kindern - Fremdkörper in der Nase stecken. In grossen, zerklüfteten Mandeln können Essens- und Zellreste hängen bleiben, die dann vor sich hin gammeln. Dies sollte ein Hals-Nasen-Ohrenarzt abklären.
Manche Patienten merken, dass ihr Atem schlecht riecht. Andere haben keine Ahnung von ihrer «Fahne». Und wieder andere meinen, sie hätten Mundgeruch, haben aber in Wirklichkeit gar keinen. Andreas Filippi wie auch Benno Raddatz greifen in solchen Fällen zum Halimeter. Das Gerät, über das gewöhnliche Zahnärzte meist nicht verfügen, misst die Schwefelverbindungen in der Atemluft des Patienten. Dieser muss dazu in ein Röhrchen blasen.
Trockene Schleimhäute führen zu Fäulnis
Geübte Ärzte können selbst feine Nuancen im Mundgeruch unterscheiden - mit der eigenen Nase. «Ich rieche den typischen Geruch des Darms, der sich im Mund festsetzt», sagt etwa Benno Raddatz. Beschädigte Schleimhäute im Darm, aber auch Verstopfung oder Verdauungsprobleme können Mundgeruch verursachen. Ebenso allgemeine Krankheiten von Lunge und Bronchien (fauliger Geruch), oder Nieren (harnartiger Geruch).
Wer immer durch den Mund atmet oder wenig trinkt, lässt die Schleimhäute in der Mundhöhle austrocknen - dies kurbelt wiederum den Fäulnisprozess im Mund an.
Mundsprays, Duftwässer und antibakterielle Mittel, für die zum Beispiel die Amerikaner jährlich umgerechnet 1,1 Milliarden Franken ausgeben, sind keine Lösung. Sie vertreiben nur kurzfristig den Belag von der Zunge und rauben den Pilzen auf der Zunge die natürlichen bakteriellen Gegenspieler. Folge: Ein dichter Pilzbelag überzieht schon bald die Zunge - und bewirkt selbst Mundgeruch.
Reinigen Sie die Zunge täglich
- Wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie Mundgeruch haben und wie stark er ist: Fragen Sie Ihren Partner oder einen guten Freund, dem sie vertrauen.
- Bürsten Sie nach jedem Zähneputzen auch die Zunge. Dafür müssen Sie keinen speziellen Zungenschaber kaufen. Die Zahnbürste tuts auch.
- Bei wenig Speichel: Trinken Sie mehr oder nehmen Sie einen Kaugummi.
- Essen Sie fettarm, denn flüchtige Fettsäuren im Dünndarm atmet man schnell wieder aus.
- Kauen Sie die Speisen gut: Nur so reinigt sich die Zunge automatisch.
- Reinigen Sie die Zähne gründlich. Benutzen Sie Zahnseide. Putzen Sie eine Prothese regelmässig.
- Verzichten Sie auf Mundwässer und Duftsprays: Sie verursachen häufig selbst Mundgeruch.
- Nehmen Sie morgens nüchtern einen Esslöffel Sonnenblumenöl in den Mund. Bewegen sie es einige Minuten in der Mundhöhle hin und her und spucken Sie es dann aus.
- Wenn alles nichts nützt: Sprechen Sie Ihren Zahn- oder Hausarzt auf den Mundgeruch an. Wenn er Ihnen nicht helfen kann: Lassen Sie sich an einen Hals-Nasen-Ohrenarzt oder einen Magen-Darm-Spezialisten vermitteln.
Die einzige Schweizer Mundgeruch-Sprechstunde führt das Zentrum für Zahnmedizin, Universität Basel, Hebelstr. 3, 4056 Basel. Tel. 061 267 26 10