Nicht an der Börse gehandelte Aktien von Schweizer Unternehmen trotzen den Börsenturbulenzen gut. Seit Juni 2008 erhebt die Berner Kantonalbank (BEKB) den Liquidity Index. Dieser bildet den Kursverlauf der 60 Aktientitel ab, die auf der Nebenwerte-Plattform der BEKB am häufigsten gehandelt werden.
Im Vergleich zum Swiss Market Index (SMI) ist der Liquidity Index während der Börsenbaisse weniger stark eingebrochen (siehe Grafik). Im SMI-Index sind die 20 grössten Schweizer Aktiengesellschaften enthalten. Seit Juni 2008 hat der SMI 16,5 Prozent an Wert eingebüsst. Der Liquidity Index hingegen verlor nur 2,8 Prozent.
Viel geringere Kursschwankungen als börsenkotierte Aktien
Für Rolf Bigler, Leiter des ausserbörslichen Handels bei der BEKB, ist das nicht neu: «Nebenwerte sind deutlich geringeren Kursschwankungen ausgesetzt als börsenkotierte Titel.» Grund: Vor allem Anleger kaufen sie, die nicht kurzfristig spekulieren, sondern langfristig orientiert sind. Sie halten die Titel über Jahre.
Rund 175'000 Aktiengesellschaften existieren in der Schweiz. Davon sind 280 an den Schweizer Börsen kotiert. Die Papiere von weiteren 500 Unternehmen werden ausserbörslich gehandelt. Dieser ausserbörsliche Handel wird als OTC-Markt (OTC = Over the Counter) bezeichnet.
Vornehmlich drei Finanzinstitute handeln mit diesen Papieren: die Berner und Zürcher Kantonalbank sowie Bondpartners in Lausanne. Auch andere Banken sowie die Stanser Finanzberatungsfirma Weibel Hess & Partner AG sind in diesem Marktsegment tätig. Die Palette von Firmen mit ausserbörslichen Aktien reicht von Banken (z.B. Bank Brienz-Oberhasli) über Industriebetriebe (z.B. Hilti Schaan) bis hin zu Bahnen aller Art (z.B. Pilatus Bahnen Kriens).
Dividende: Häufig in Form von Naturalien statt Geld
Die Dividendenrenditen (Dividende geteilt durch Kurswert) der Kleinen müssen sich keineswegs vor denen börsenkotierter Unternehmen verstecken: Sie beläuft sich bei der OTC-Aktie der Chemholding SA auf 5,24 Prozent. Die des ebenfalls im Pharmabereich tätigen Grosskonzerns Roche erreicht nur 4,3 Prozent. Die Dividendenrendite der Clientis Bank Toggenburg beträgt 3,2 Prozent, die der grossen UBS liegt bei null.
Einzelne Titel lassen sich schlecht verkaufen
Nicht vergleichbar sind Aktien, bei denen keine monetäre Dividende, sondern eine Naturaldividende ausgeschüttet wird, etwa bei kleinen Firmen: Die Bergbahnen Adelboden-Lenk beispielsweise geben den Aktionären Konsumationsgutscheine für ihre Bergrestaurants ab, wenn die Inhaber an der Generalversammlung erscheinen. Die Aktionäre des Wädenswiler Wädi-Brau-Huus erhalten eine Dividende in Form von Bier und Restaurantgutscheinen.
Philipp Lütolf vom Institut für Finanzdienstleistungen Zug der Hochschule Luzern hat einen eigenen Index gebildet aus den 50 meistgehandelten OTC-Titeln in der Zeitspanne von Januar 2000 bis Oktober 2008. Resultat: Die Rendite beläuft sich auf 18,2 Prozent jährlich. Der SPI, der Gradmesser des Schweizer Aktienmarktes, hat im selben Zeitraum pro Jahr nur 0,9 Prozent zugelegt.
Laut Lütolf wird die bessere Wertentwicklung der Nebenwerte mit höheren Risiken erkauft:
- OTC-Aktien sind relativ illiquid. Titel können manchmal nicht oder nur nach einer Wartezeit erworben werden. Auch die Verkäuflichkeit ist erschwert. Bei geringen Handelsvolumen kann sich der Verkauf über längere Zeit hinziehen.
- Anleger kaufen Aktien zum Briefkurs, beim Verkauf erhalten sie nur den tieferen Geldkurs. Diese Spanne ist bei OTC-Titeln oft hoch. Investoren müssen die Aktien lange halten, um einen Gewinn zu erzielen. Der Geldkurs muss den Briefkurs zum Kaufzeitpunkt übersteigen.
- OTC-Titel sind nicht dem Schweizer Börsengesetz unterstellt. Das bedeutet, dass Minderheitsaktionäre kaum geschützt sind vor einem dominanten Hauptaktionär.
- Die Informationslage ist bei OTC-Gesellschaften weniger transparent als bei börsenkotierten Unternehmen. Die ausgewiesenen Zahlen der Ausserbörslichen sind oft mangelhaft.
Laut Rolf Biland, Anlagechef beim VZ Vermögenszentrum, gibt es zwar nicht kotierte Firmen, deren Aktien gute Renditen abwerfen. Diese Perlen zu erkennen, sei aber für normale Anleger schwierig. Wer in einen Nebenwert investiere, sollte dies nicht aus Renditeüberlegungen tun, sondern aus persönlicher Verbundenheit mit einer Firma oder einer Region.
Angebot: So finden und kaufen Sie Nebenwerte
Wer Schweizer Nebenwerte kaufen will, findet das grösste Angebot an Titeln auf der Handelsplattform Otc-x der Berner Kantonalbank. Zurzeit sind 328 Titel gelistet. Die Zürcher Kantonalbank listet 95 Aktien auf, die sich weitgehend mit denen der BEKB überschneiden. Bondpartners in Lausanne hat auf seiner Plattform «Helvetica» 270 zum Teil exklusive Titel, wendet sich aber primär an institutionelle Anleger. Ebenfalls Profis vorbehalten bleibt der Fonds BEKB Fund Street OTC Fund One.
Auf der BEKB-Plattform finden Privatanleger nicht nur die aktuellen Kurse der Nebenwerte, sondern auch Vergleichsindizes und Kenndaten der Unternehmen. Für den Kauf von Nebenwerten kann man sich an seine Hausbank wenden oder – kostengünstiger und einfacher – direkt an die BEKB. Mit einem BEKB-Berater beträgt die Courtage im Minimum 80 Franken, auf dem elektronischen Weg www.trade-net.ch mindestens 50 Franken.