Der saldo-Leser Pierre Bosquet (Name geändert) aus Zürich hatte ein Problem mit dem Telekomunternehmen Sunrise. Es verlangte von ihm Geld, ohne dass klar war wofür. Nach langem Hin und Her sah Sunrise ein, dass die Rechnung falsch war. Doch damit waren die Probleme nicht gelöst. Im Gegenteil.
Sunrise hatte die Forderung gegen Bosquet bereits an verschiedene Inkassofirmen weitergegeben. So etwa an Intrum Justitia. Intrum wollte den Fall nicht übernehmen, vermerkte Bosquet aber als schlechten Schuldner. Zudem gab sie die Daten an die Orell Füssli Wirtschaftsinformation weiter, welche die Datenbank Teledata betreibt. Gleich machte es das danach beauftragte Inkassobüro Infoscore. Es gab die Daten an die Wirtschafts- und Kreditauskunft Deltavista weiter. Deltavista vermerkte zu Bosquet, er sei «entweder bevormundet» oder «bekannt als Person mit erheblichen Zahlungsstörungen».
Betroffene wissen häufig nicht, wo sie überall erfasst sind
Unternehmen unterstehen dem Datenschutzgesetz. Sie sind verpflichtet, falsche Daten zu korrigieren oder zu löschen. Doch um bei jeder Stelle ein Auskunfts- oder Löschungsbegehren zu stellen, müssten die Betroffenen wissen, wo sie erfasst sind.
Dass er mindestens fünf negative Einträge in diversen Datenbanken hatte, brachte Bosquet erst in Erfahrung, nachdem er aufs Geratewohl bei einigen Inkassostellen nachgefragt hatte. Sofort beantragte er die Löschung der falschen Daten.
Intrum und Teledata tilgten die falschen Angaben innert 30 Tagen. Infoscore wollte «aus Gründen der Nachvollziehbarkeit» die Daten nicht löschen. Erst als sich Sunrise bei Infoscore meldete, gab das Unternehmen nach.
Falsche Informationen werden immer wieder weitergegeben
Intrum-Sprecherin Jaël Fuchs sagt, Falschangaben gebe es nur in Einzelfällen. Und Martin Zoller von Infoscore gibt an, falsche Einträge würden im Einklang mit dem Datenschutzgesetz stets gelöscht.
Das Problem: Viele Firmen treiben Forderungen nicht selber ein, sondern beauftragen Inkassofirmen. Diese überprüfen meist nicht, ob eine Forderung berechtigt ist. Mehr noch: Inkassobüros geben Informationen über Inkassofälle an Kredit- und Wirtschaftsauskunftsdienste weiter. Diese tauschen sich teils ebenfalls untereinander aus.
Die mit den Inkassofirmen verbandelten Auskunftsdienste unterhalten riesige Datenbanken über die Kreditwürdigkeit (Bonität) von Privatpersonen oder Firmen. Vermieter, Kreditkartenherausgeber oder Leasingfirmen holen bei solchen Stellen Auskünfte über Konsumenten ein. Ein negativer Eintrag kann unangenehme Folgen haben. Versandhäuser führen keine Bestellungen mehr aus oder Telefongesellschaften verweigern Handyverträge.
Vorstoss zum Schutz der Kreditwürdigkeit vom Ständerat abgelehnt
Bonitätsdatenbanken enthalten auch viele falsche Daten. Doch davon erfahren die Betroffenen meist erst dann, wenn ihnen ein Unternehmen eine Dienstleistung verweigert. Grund: eine negative Bonitätsauskunft.
Inkassobüros und Auskunftsdienste können Bürger ohne deren Wissen ihrer Kreditwürdigkeit berauben. Das wollte die Waadtländer SP-Ständerätin Géraldine Savary mit einem parlamentarischen Vorstoss ändern. Inhalt: Nur Betreibungsämter, die staatliche Informationsstelle für Konsumkredit und die vom Gesetzgeber vorgeschriebene schweizerische Informationsstelle für Konsumkredit hätten künftig Daten über die Kreditwürdigkeit erfassen dürfen.
Daraus wird aber nichts. Der Ständerat lehnte den Vorschlag ab.
Datenschutz: In der Datenbank registriert: Das sind Ihre Rechte
Das Datenschutzgesetz sieht vor, dass Inkassofirmen und Auskunftsdienste auf Anfrage kostenlos Auskunft über die gesammelten Daten geben müssen. Jedermann kann jederzeit ein Auskunftsbegehren stellen – auch ohne konkreten Verdacht auf Datenmissbrauch. Einen Musterbrief dazu finden Sie auf www.saldo.ch/service/musterbriefe/1040016/Wirtschafts-Auskunftdateien.
Dem eingeschriebenen Schreiben legen Sie eine Kopie eines Identitätsausweises mit Unterschrift bei. Darauf können Sie alle Daten durchstreichen, die für die Prüfung Ihrer Identität nicht nötig sind (zum Beispiel Geburtsdatum, Bürgerort). Ergibt die Auskunft, dass falsche Daten über Sie erfasst sind, können Sie ein Löschungsbegehren stellen oder die Daten berichtigen lassen. Lassen Sie sich Löschung oder Korrekturen schriftlich bestätigen.
Fragen Sie bei jedem Auskunftsbegehren nach, woher die Daten stammen und wohin sie weitervermittelt wurden. So erhalten Sie Hinweise darauf, bei welchen weiteren Auskunfteien oder Inkassofirmen Sie zusätzliche Auskunftsbegehren stellen sollten. Grundsätzlich sind Inkassofirmen und Auskunftsdienste verpflichtet, alle Stellen zu benachrichtigen, die von ihnen die Falschinformationen erhielten.
Musterbriefe für allgemeine Auskunftsbegehren finden Sie auf www.edoeb.admin.ch/dokumentation/00503/00575/index.html?lang=de.
Wer mit wem: Informationsaustausch
In der Schweiz gibt es Dutzende von Inkassofirmen. Jede beliefert mindestens eine grössere Bonitätsdatenbank mit Informationen – und umgekehrt. Das sind die grössten Wirtschaftsauskunfteien der Schweiz:
Deltavista
www.crif.ch
Deltavista (künftig CRIF AG) bezieht ihre Daten unter anderem von den Inkassofirmen Alphapay, Easymonitoring, EOS Schweiz, Infokey oder Infoscore. Die vollständige Liste siehe https://www.crif.ch/Partner/Page/Inkassopartner.aspx.
OFWI (Orell Füssli Wirtschaftsinformationen)
www.ofwi.ch
Die OFWI führt die Bonitätsdatenbank Teledata. Die Informationen stammen von Intrum Justitia.
Buchtipp
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Privatkonkurs» (2. Auflage, 223 Seiten, Fr. 27.–). Zu bestellen auf www.saldo.ch.