“Sie nannten mich Glatzkopf” - Anuschka Vonmoos, 33: Leben mit Trichotillomanie
Inhalt
Gesundheitstipp 2/2007
21.02.2007
Aufgezeichnet: Evi Biedermann
Wenn ich auf meinem Kopf ein ungewöhnliches Haar entdecke, dann muss ich es einfach ausreissen. Dünne, harte oder gekräuselte Haare faszinieren mich besonders. Sobald ich ein solches Haar zwischen meinen Fingern spüre, beginnt meine Kopfhaut zu jucken. Dann reisse ich auch die Haare daneben aus. Das passiert meistens vor dem Spiegel. Ich vergesse dann alles um mich herum und versinke in einen wunderbar entspannten Zustand. Was zurückbleibt, ist eine runde kahle Stelle auf meinem Kopf.
...
Wenn ich auf meinem Kopf ein ungewöhnliches Haar entdecke, dann muss ich es einfach ausreissen. Dünne, harte oder gekräuselte Haare faszinieren mich besonders. Sobald ich ein solches Haar zwischen meinen Fingern spüre, beginnt meine Kopfhaut zu jucken. Dann reisse ich auch die Haare daneben aus. Das passiert meistens vor dem Spiegel. Ich vergesse dann alles um mich herum und versinke in einen wunderbar entspannten Zustand. Was zurückbleibt, ist eine runde kahle Stelle auf meinem Kopf.
Die Medizin hat einen Namen für diese Zupfattacken: Trichotillomanie. Ich erfuhr das erst vor ein paar Jahren - und es war wie eine Erlösung für mich.
Angefangen hat es nach der Trennung meiner Eltern. Da war ich zehn Jahre alt. Eines Tages entdeckte meine Mutter einen zweifränklergrossen haarlosen Fleck auf meinem Kopf. Weil ich keine Erklärung dafür hatte, sagte ich einfach, meine Stiefschwester habe mir Haare ausgerissen. Ich hatte tatsächlich keine Ahnung, woher diese Kahlstelle kam.
Die Ärzte tippten auf kreisrunden Haarausfall und gaben mir Medikamente. Doch die halfen natürlich nicht. Schliesslich hatte ich nur noch einen schmalen Haarkranz um den Kopf. Da bat ich meine Grossmutter, mir ein Käppchen zu stricken. Das trug ich fortan ständig, um mich vor Hänseleien zu schützen. Die Mitschüler nannten mich Glatzkopf und sagten, ich hätte «Viecher» oder Krebs. Das war eine schreckliche Zeit.
Es dauerte Jahre, bis mir bewusst wurde, was ich da machte. Einmal fragte mich eine Naturärztin vorsichtig, ob ich mir selber die Haare auszupfe. Meine Mutter war schockiert, und ich brauste auf und stritt es vehement ab. Ich fühlte mich verraten und blossgestellt. Von da an beobachtete mich meine Familie ständig. Häu?g gab es zu Hause Knatsch wegen mir.
Ich weiss nicht, was mich dazu drängt, die Haare auszureissen. Das Verlangen ist plötzlich da. Besonders heikel ist es, wenn ich unter Druck bin. Meine Kopfhaut ist dann hochsensibel, als würde dort ein Ameisenrennen statt?nden.
Früher habe ich auch die Schamhaare ausgezupft. Heute muss nur noch der Kopf hinhalten. Ich zupfe nur auf der linken Seite und nur mit der linken Hand.
Meine Freunde wissen alle Bescheid. Ich bin unendlich froh, dass sie mich so akzeptieren, wie ich bin. Ich bin auch froh, dass ich über mein Problem reden kann. Denn schon so ist mein Leben anstrengend genug.
Der unstillbare Drang, sich Haare auszureissen
Trichotillomanie-Betroffene verspüren den immer wiederkehrenden Drang, sich Körper- und Kopfhaare auszureissen. Betroffene spüren keine Schmerzen beim Zupfen. Sie verbinden es mit angenehmen Gefühlen. Doch sie schämen sich wegen der kahlen Stellen. Dies führt oft zu sozialer Isolation.
Die psychische Störung beginnt meist im Alter von etwa 13 Jahren. In der Pubertät sind Mädchen und Knaben gleich oft betroffen, später sind es mehrheitlich Mädchen. Ursachen sind oft Traumata wie der Verlust einer nahestehenden Person, Missbrauch oder andere schwerwiegende Ereignisse.
Trichotillomanie behandelt man vor allem mit Verhaltenstherapie. Manchmal helfen auch andere Psychotherapien oder Antidepressiva.
Der Begriff Trichotillomanie setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern «thrix» für Haar, «tillein» für rupfen und «mania» für Wahn oder Zwang.
Infos und Kontakt: Selbsthilfezentrum Offene Tür Zürich, Jupiterstr. 42, 8032 Zürich, Tel. 043 288 88 88, selbsthilfe@offenetuer-zh.ch
Internet: www.trichotillomanie.ch, www.trich.de